Wie das Leben so spielt

Über Wolfgang Hegewalds Roman „Herz in Sicht“

Von Nadine KördelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nadine Kördel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wilhelm Hausladen, Gerhard Landstorfer, Kurt Röper und Paul Urbanski – vier Männer, die eine zufällige Begegnung in der kardiochirurgischen Abteilung der Barbara-Klinik zusammenführt.

Der Roman Herz in Sicht von Wolfgang Hegewald setzt sich im Wesentlichen aus zwei Teilen zusammen: In Archipel Malimo erzählt Paul Urbanski, der Literaturkritiker, mit einer bemerkenswerten Beiläufigkeit, wie eines Tages sein Heimatort Varenstedt von Meer umgeben war und ohne vorhersehbare Anzeichen zu einer Insel wurde. Doch obwohl Urbanski selbst geradezu befremdlich eigenbrötlerisch und gleichgültig gegen die Wünsche und das Handeln anderer zu sein scheint, gelingt es Wolfgang Hegewald, schlicht und detailliert zugleich zu beschreiben, wie die Bewohner von Varenstedt mit dieser unerwarteten und außergewöhnlichen Situation umgehen.

Der zweite Teil, Schattenachsen, schildert aus der Sicht des Andrologen Joachim Oehlmann das Leben seines Patienten Wilhelm Hausladen. Es wird erzählt, wie der etwas eigenwillige Wilhelm Hausladen das erste Mal Oehlmanns Praxis besucht und sich daraus eine „merkwürdig gegenstandslose Freundschaft“ entwickelt. Oehlmann schildert die gewöhnlichen und ungewöhnlichen Episoden aus dem Alltag seines Freundes. Zuweilen bekommt der Leser auch direkt einen Brief aus Hausladens Hand zu lesen und kann sich so ein unverfälschtes Bild des Schreibers machen.

Hegewald trägt scheinbar bedeutungslose Aspekte des Lebens – wie die Passion für das Mühle-Spielen oder den Kauf einer Sitzgarnitur für den Garten – leichthin vor, sodass sich der Leser im ständigen Wechsel zwischen dem gerade Erfahrenen und früheren Punkten des Romans befindet und sich zahlreiche Verbindungen ziehen lassen. Wo allerdings der erste Teil eine relativ zusammenhängende Geschichte rund um ein konkretes Thema erzählt, wirkt der zweite willkürlicher und abstrakter, weniger griffig.

Beide Teile des Romans sind eher lose verknüpft durch die anstehenden Herzoperationen. Dieses Motiv wurde auch für die Gestaltung des Covers ausgegriffen: Seile, die aus beliebigen Richtungen kommen und in beliebige Richtungen gehen und sich locker zu einem Herzen zusammenfügen.

Sprachlich ist an dem Roman nicht viel zu beanstanden. Der Satzbau ist mitunter eher unüblich, bringt den Leser aber gerade dadurch zum Schmunzeln. Die einzige Schwäche ist der einem Bericht ähnelnde nüchterne Erzählstil, der jede aufkommende Spannung im Keim erstickt. So wohnt man beispielsweise der Operation Hausladens gleichsam aus der Sicht seines vom Körper losgelösten Bewusstseins bei, was durchaus interessant und spannend dargestellt wird. Gleichzeitig wird die Schilderung des Eingriffs jedoch immer wieder durch detailliert-langatmige Beschreibungen von Gärten in England, Schottland und Irland unterbrochen.

Wer den Lebensweg zweier Männer humorvoll dargestellt nachvollziehen möchte, ohne sich in einem Roman voller Hektik und Nervosität wiederzufinden, wird in diesem Buch, in dem es immer wieder neue gewitzte Details zu entdecken gibt, einen fantastischen Begleiter finden.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Wolfgang Hegewald: Herz in Sicht. Roman.
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2014.
286 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783882211986

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