Abseitiges Kleinod

Über die „Biographie des k. k. Hofkomponisten Ritter Christoph Gluck“

Von Peter HöyngRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Höyng

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Abseits des großen und verflossenen Gedenkjahres 2014, in dem vor allem der Beginn des Ersten Weltkrieges oder die Geburt Max Webers und Richard Strauss’ im Jahr 1864 oder der Tod Karls des Großen vor 1.200 Jahren Anlass gaben, sie durch zahlreiche und gewichtige Publikationen ins Zentrum einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken, gewann die dreihunderjährige Wiederkehr der Geburt des einst europaweit gefeierten Komponisten Christian Willibald Gluck (1714-1787) keinerlei sonderliche Aufmerksamkeit.

Umso mehr stellt der von Renate und Gehard Croll betreute Druck einer anonymen Abschrift von 1830 zur Biographie Glucks ein Kleinod dar. Die Herausgabe der beiden ausgewiesenen Kenner Glucks ist auch insofern eine Kostbarkeit, als dass der Text selbst in Zeiten der schnell anwachsenden digitalisierten Bibliotheksbestände wie beispielsweise des Zentralen Verzeichnisses Digitalisierter Drucke (ZVDD.de) derzeit nicht per Internet abrufbar ist. Und noch in anderweitiger Hinsicht handelt es sich bei der Veröffentlichung des Textes um eine wunderlich-liebenswerte Rarität. Denn die vorliegende Biographie des k. k. Hofkomponisten Ritter Christoph Gluck galt nicht nur als verschollen, sondern es handelte sich dabei um ein französisches Manuskript, das „von der Hand eines Kavaliers in Wien“ verfasst worden war, daselbst 1786 in die Hände von Glucks erstem Biographen Johann Friedrich Reichhardt gelangte und von ihm zu einer größeren Biographie verwendet werden sollte.

Doch nicht genug der mysteriösen Umwege der von Reichhardt geschätzten Liebhaberbiographie; denn bei dem jetzt vorliegenden Abdruck handelt es sich um eine 1830 angefertigte Abschrift der Abschrift Glucks. Und so enthält die nur 79 Seiten umfassende Veröffentlichung nicht weniger als folgende sechs Texte: erstens die Transkription der neunzehn Seiten der anonymen französischen Notizen zu Glucks Leben, zweitens eine Übertragung ins Deutsche, drittens und außerdem die englische Übersetzung und viertens das Faksimile des französischen Textes aus der Staatsbibliothek Berlin. Sodann liefern die Herausgeber ein allzu knappes Nachwort samt bibliographischer Angaben, das, last but not least, auch ins Englische übertragen wurde. Wer also ganz im Geiste E.T.A. Hoffmanns, der den geadelten Ritter Gluck durch eine gleichlautende Erzählung verehrte, angesichts des rätselhaften Textes samt seiner wundersamen Wiederauferstehung und sprachlichen Multiplikationen meint verwirrt zu werden, sollte sich ganz einfach der Quelle selbst anvertrauen: „Christoph Gluck est né dans uns village de la Bohéme de parens inconnus. et obscure environ vers l’anne 1714.

Titelbild

Biographie des k. k. Hofkomponisten Ritter Christoph Gluck. Nach der Abschrift eines verschollenen anonymen französischen Manuskripts aus Wien (1786) von Aloys Fuchs (1830).
Herausgegeben von Renate und Gerhard Croll.
epodium Verlag, München 2014.
80 Seiten, 19,00 EUR.
ISBN-13: 9783940388353

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