Versöhnungsarbeit
In seinem neuesten Werk legt Slavoj Žižek dar, warum Hegel auch im 21. Jahrhundert die zentrale Figur in der Philosophie ist
Von Sebastian Meißner
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseSeit mehr als zwei Jahrzehnten widmet sich Slavoj Žižeks bereits Hegel und dem deutschen Idealismus. Sein literarischer Output sowie sein engagierter Vortragsstil haben ihm eine internationale Fangemeinde sowie den Ruf als einen der bedeutendsten philosophischen Zeitdiagnostiker eingebracht. „Weniger als nichts. Hegel und der Schatten des dialektischen Materialismus“ wird seine Stellung in der zeitgenössischen Philosophie weiter festigen. Von Kritikern wird dieses Buch bereits als sein opus magnum bezeichnet. Sie könnten Recht haben. Auf über 1.400 Seiten gelingt es Žižek, die Hegel´sche Philosophie von der mechanistischen Dialektik zu befreien.
Dabei geht es Žižek vor allem um die Versöhnung des französischen Strukturalismus mit den Ideen Hegels. Ob Michel Foucault oder Jacques Lacan: Žižek zeigt präzise und nachvollziehbar, dass Hegel und die Psychoanalyse sich durchaus sinnvoll ergänzen und wechselseitig aufwerten können. Am Beispiel der Psychoanalyse schafft es Žižek, den Vorwurf an Hegels Theorie zu entkräften, dass Dialektiker schon im Voraus immer auf alles eine Antwort hätten. In Anlehnung an die Ausführungen Lacans definiert Žižek das Unbewusste als ein Wissen und die Symptome des Patienten als die Antworten, für die der Psychiater die Fragen finden hilft.
Gegen den Strich
Žižek, der überzeugte Leninist, der selbst viele Jahre unter dem dialektischen Materialismus litt, der „Ersatzreligion des unrühmlich verblichenen Ostblocks“, wie Stefan Dornuf von der Neuen Zürcher Zeitung ihn nennt, bleibt auch in diesem Buch seiner Arbeitsmethode treu, „alles gegen den Strich zu bürsten“. Mit einer Fülle an künstlerischen Beispielen aus der Musik- und Filmgeschichte sowie unzähligen pointierten Abschweifungen untermauert Žižek seine Argumentation – und entwirft Hegel so als Leitfigur auch für das Hier und Heute. Die historische Herleitung über Hegels Vorgänger wie Platon oder Fichte sowie dessen Nachfolger wie Marx und Badiou gelingt Žižek besonders leichtfüßig. Es ist aber die intensive Auseinandersetzung mit Hegels Widersacher Lacan, dem er gleich einen ganzen von insgesamt vier Teilen dieses Buches (1. „Der Drink davor“, 2. Die Sache selbst: Hegel“, 3. „Die Sache selbst: Lacan“, 4. „Die Zigarette danach“) widmet, die den Stellenwert Hegels für die Moderne eindrucksvoll aufzeigt.
|
||