Misslungene Fingerübung
Über Dave Eggersʼ „Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig?“
Von Roman Halfmann
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseMan war ja durchaus gespannt, wie Dave Eggers der neuen Rolle als Zeitdiagnostiker, die er infolge seines Romans Der Circle eingenommen hat, gerecht wird und stürzte sich dementsprechend freudig erregt in die Lektüre – doch schnell wurde aus Freude Verwirrung, dann Langeweile.
Der Anfang ist durchaus gelungen: Ein junger Mann entführt einen Astronauten, um einige Fragen zu stellen. Zum Beispiel, wie es sich anfühlt, in allem stets der Beste gewesen zu sein, um dann doch nicht mit dem Space Shuttle ins All fliegen zu können, da das einstige Symbol für US-amerikanischen Fortschritt verschrottet wird. Fühle sich der Astronaut nicht von der Elterngeneration betrogen, die Ansprüche gestellt und bei Erfüllung mit einem Lohn gelockt habe, der nun ausbleibe? – Der Astronaut, angekettet an einen Betonpfeiler in einem verlassenen Militärstützpunkt, reagiert verständlicherweise wütend und weicht den Fragen mit Verweis auf politische Entscheidungen aus, woraufhin der Entführer beschließt, einen Kongressabgeordneten zu verschleppen – und so weiter. Eine Frage führt zur nächsten Entführung und schnell wird klar, dass der junge Mann sich als typischen Vertreter einer betrogenen, verlorenen und desorientierten Generation begreift, die um jede Chance gebracht wird.
Eggers breitet die ungewöhnliche Gesprächsrunde in strikt dialogischer Struktur aus und verzichtet auf jedwede Beschreibung. Das entschlackt den Text, fokussiert aber im Gegenzug auf den Gesprächsverlauf – und an dem hapert es im Verlauf, da Eggers die eigentlich gute Grundidee ohne jede Not zu einer Diskussion um einen Justizskandal gerät. Der Entführer stellt nämlich irgendwann fest, dass der von ihm zwecks Klärung einiger Fragen verschleppte Polizeibeamte zufällig einer derjenigen ist, der damals des Entführers besten Freund aus nächster Nähe erschoss, woraufhin eine Vertuschungsaktion anlief. All dies, so erfahren wir, hat den Entführer traumatisiert und wohl zu seiner jetzigen Tat getrieben. In der Folge treten die eingangs im Grunde recht interessanten, wenngleich arg vereinfacht präsentierten gesellschaftlichen Fragestellungen in den Hintergrund. – Allein, der Skandal um einen vertuschten Mord, so entsetzlich dies auch sei, ist nur bedingt reizvoll und wird zudem arg langatmig ausgebreitet. Es kommt bei der Lektüre gar der Verdacht auf, Eggers habe hier womöglich eine private Rechnung offen und wurde beim Verfassen von den eigenen Emotionen zu sehr beherrscht – Emotionen, die, so sympathisch auch die zugrundeliegende Motivation sei, sich jedoch nicht auf den Leser übertragen, der naturgemäß wenig mit dieser doch privaten Tragödie anzufangen weiß.
So gerät dieses Werk, ohnehin eher als Fingerübung angelegt, zu einem misslungenen Experiment, welches schnell abgehakt gehört. Decken wir also den Mantel des Schweigens darüber und warten auf das nächste Werk, hoffend und erwartend, dass Eggers zu alter Form findet.
|
||