Menschsein und Mönch sein

Die Biografie von Horst Herrmann ist in einer völlig überarbeiteten Neuausgabe erschienen

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Martin Luther ist eine Gestalt der Weltgeschichte. Das heraufziehende Reformationsjubiläum des Jahres 2017 hat ihn seit Monaten wieder stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rücken lassen – abzulesen an den zahlreichen Publikationen über Martin Luther und die Geschichte der Reformation. Der Marburger Tectum Verlag bringt zum Jubiläum eine völlig überarbeitete Neuausgabe der Luther-Biografie von Horst Herrmann, die erstmals 2007 erschien, also gerade in dem Jahr, als die Luther-Dekade ihren Anfang nahm.

Der katholische Kirchenrechtler und kompromisslose Kritiker stellt in seiner Biografie Martin Luther als Mensch in seiner historischen Bedeutung dar. Seine Persönlichkeit, sein Wirken und seine Wirkung werden in drei umfangreichen Abteilungen (mit jeweils zehn Kapiteln) übersichtlich erläutert und vorgestellt. In „Die Jahre der verzweifelten Hoffnung“ werden Luthers Kindheit, Jugend, die Mönchszeit in Erfurt und das Studium in Wittenberg beleuchtet. Die Mansfelder Jahre (immerhin nach Wittenberg der zweitlängste Abschnitt seines Lebens) haben Luther stark geprägt, der später in Tischreden und Schriften immer wieder betonte: „von daher bin ich“. Weniger begeistert war Luther von der thüringischen Universitätsstadt Erfurt, wo er an der Artistenfakultät studierte und zum Magister Artium promovierte. Nach einem persönlichen Erlebnis mit Todesangst trat er dann in das Kloster der Augustiner-Eremiten in Erfurt ein. Ein weiteres prägendes Erlebnis war die Reise des jungen Augustinermönches 1511 aus der deutschen Provinz im Auftrag seines Ordens nach Rom, in die Stadt der Päpste. Später nannte Luther die Stadt am Tiber einen „Sündenpfuhl“.

Der zweite Abschnitt „Die Wege vom Mönch zum Menschen“ steht ganz im Zeichen von Luthers reformatorischen Gedanken und Plänen. Dabei geht Herrmann detailliert auf die Rahmenbedingungen und die eigenen Reformabsichten der Herrschenden (vom Kaiser bis zum Kurfürsten) ein. Dem sprudelnden „Geschäft mit dem Jenseits“ (Ablass) stellte Luther den „Ernst der Buße“ entgegen. Für Herrmann ist Luther ein Mensch, der die Kraft aufbringt, „die Sache mit Gott der Kirche seiner Zeit gegenüber neu zur Sprache zu bringen“. Durch Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks nahm die akademische Welt den Kollegen aus Wittenberg ebenfalls schnell zur Kenntnis. Luthers Thesen lösten im Reich Interessengegensätze aus, die schließlich zum Wormser Reichstag und zu Luthers Aufenthalt auf der Wartburg führten.

Im Schlussteil „Die Suche nach den anderen Sicherheiten“ wird der beschwerliche Weg der Reformation bis zu Luthers Tod beschrieben. Mit seinen Schriften hatte er eine gewaltige Bewegung der Neuordnung in Gang gesetzt, doch ihr Verlauf war oft nicht in seinem Sinne. So musste er sich mit Sektierern in Wittenberg ebenso auseinandersetzen wie mit aufständischen Bauern oder mit dem Humanisten Erasmus von Rotterdam. Sie drohten sein Gebäude des Wittenberger Wortes einzureißen. Horst Herrmann gewährt dem Leser auch einen Einblick in Luthers Privatleben, in seinen Freundeskreis oder in das Familienleben im Schwarzen Kloster, wo „Frau Käthe“ für den Haushalt sorgte und ihren Mann immer wieder auf die Beine half. Gegen Lebensende wurde Luther von zahlreichen Krankheiten geplagt, trotzdem unternahm er 1545/46 noch drei beschwerliche Reisen nach Eisleben, um Streitigkeiten zwischen seinen Mansfelder Grafen beizulegen. Am Morgen des 18. Februar 1546 verstummte der Reformator schließlich. Danach deuteten andere sein Wort.

Martin Luther – man kennt ihn sicher. Vieles ist dabei zum Klischee erstarrt. Die vorliegenden 550 Seiten beleuchten viele theologische, historische und fachwissenschaftliche Aspekte, vor allem aber tritt uns Luther hier nicht als mythische Gestalt der Weltgeschichte sondern als Mensch gegenüber. Dabei werden seine geistigen Leistungen (beispielsweise für die Entwicklung der deutschen Sprache) nicht von seinen Schatten abgelöst, und so kommen auch sein Antisemitismus und sein Obrigkeitsgehorsam zur Sprache. Mit einer kräftigen, aber durchaus unterhaltsamen Sprache weiß Horst Herrmann Interessantes, Erstaunliches, Typisches, Heiteres und Unbekanntes aus dem Leben und Schaffen Martin Luthers zu berichten. Eine lebendige Darstellung entlang der Chronologie, in der Stück für Stück seine innere Entwicklung und menschliche Größe aufgezeigt wird. Es ist sicher keine Übertreibung, aber durch diese einfühlsame Biografie kennen wir Martin Luther jetzt besser.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Horst Herrmann: Martin Luther. Vom Mönch zum Menschen.
Tectum Verlag, Marburg 2017.
550 Seiten , 28,00 EUR.
ISBN-13: 9783828838505

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