Vorbemerkung zum Schwerpunkt der Oktoberausgabe: Ehrengast Frankreich

Von Stephanie Bung

Frankreich ist in diesem Jahr Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse. Das Prinzip „Ehrengast“ entwickelte sich aus anfangs nur alle zwei Jahre organisierten Themenschwerpunkten, die 1976 mit Lateinamerika zum ersten Mal regional ausgerichtet waren. Seit 1988 findet das sogenannte  Gastlandprogramm der Buchmesse jährlich statt und hat zum Ziel, „Verlagsbranche und Kulturinstitutionen des jeweiligen Landes international stärker zu vernetzen, seine Literatur international bekannt zu machen und die Anzahl von Übersetzungen aus dem Land zu steigern“ (https://www.buchmesse.de/de/ehrengast/).

Außerdem ist es üblich, dass sich der Ehrengast schon im Vorfeld durch einen Internetauftritt präsentiert, der verschiedene Projekte und Aktionen rund um das Gastland sichtbar werden lässt. Unter anderem wurde eine Bibliographie mit Neuerscheinungen von Übersetzungen aus dem Französischen bereitgestellt. Sie wird immer noch regelmäßig aktualisiert und umfasst Titel aus dem Herbst 2016 bis zum Dezember 2017. Es gehört zum Wesen einer derartigen Auswahl, dass sie Werke unterschiedlichster Art versammelt: Neuübersetzungen von Klassikern wie die Gedichte von Charles Baudelaire und Pierre de Ronsard oder Madame Bovary von Gustave Flaubert stehen neben erstmals übersetzten Strandlektüren von Anna Gavalda oder Marc Levy sowie dem Essay Migranten von Patrick Chamoiseau. Dabei ist es vollkommen legitim und wahrscheinlich die einzig sinnvolle Lösung, die Autoren in alphabetischer Reihenfolge anzuordnen, allerdings hätte man sich gewünscht, dass das Erscheinungsjahr der französischen Originale kenntlich gemacht worden wäre.

Was bei Namen wie Victor Hugo, François-René de Chateaubriand oder Marcel Proust noch als bekannt vorausgesetzt werden darf, nämlich zumindest der ungefähre Zeitraum, in dem die Werke geschrieben wurden, gilt wahrscheinlich schon nicht mehr für Autoren und Autorinnen wie Jean Genet, Georges Perec oder Hélène Cixous. Und wer kann schon den Namen von Madeleine Bourdouxhe einordnen, deren wundervoller Kurzroman Gilles’ Frau aus dem Jahre 1937 in der Erstübersetzung von Monika Schlitzer nun vom Klaus Wagenbach Verlag neu aufgelegt wurde? Dennoch bietet die Bibliographie eine interessante Auswahl an Übersetzungen, auf deren Grundlage die Mehrzahl der für diese Oktoberausgabe verfassten Rezensionen entstanden ist. Eine Übersetzung des von Susanne Zepp rezensierten Buches Une autobiographie allemande von Hélène Cixous und Cécile Wajsbrot wird hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen, wird sie doch den lebendigen Dialog, den der deutsche Buchmarkt mit dem diesjährigen Ehrengast der Frankfurter Buchmesse bereits unterhält, entschieden bereichern. Zwei Essais von Sarah Neelsen und Volker Steinkamp über die Spuren, welche die Attentate von Paris und Nizza in der Literatur hinterlassen haben, und über das spezifisch französische Verhältnis zwischen Staatspräsident und Literatur runden diesen Schwerpunkt ab.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen