Von Schreibmaschinen, Schicksalen und Skurrilitäten

„Schräge Typen“: Das erste Buch des Oscarpreisträgers Tom Hanks

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Tom Hanks sammelt Schreibmaschinen. Ihnen widmet er sein erstes Buch, eine Sammlung von Erzählungen, die eine Hommage an jene mechanischen Maschinen aus Stahl ist, die von Computern aus der Alltagswelt verdrängt werden. Hanks bezeichnet sie als „Prachtstücke“, „für die Ewigkeit gebaut“, deren Design, Geräusche und Bedienung ihn faszinieren. Hanks verhilft der Schreibmaschine zu einer großen Bühne. Abbildungen der schönsten Exemplare zieren die Trennseiten zwischen den Erzählungen.

Diese handeln von Raumfahrern, Soldaten, Flüchtlingen, Verliebten und Wellenreitern – von Bowlingspielern und amerikanischen Helden in verschiedenen Jahrzehnten. Doch deutlich erkennbar sind die sie verbindenden autobiografischen Bezüge. In den Betrachtungen meines Herzens erwirbt die Erzählerin eine tragbare, „verblichene pop-art-rote Schreibmaschine“ und bringt diese zu einem Restaurator, der die Reparatur mit dem Hinweis ablehnt, sie sei nur ein wertloses Spielzeug. Ein solches Erlebnis war auch in der Realität der Beginn der Sammelleidenschaft von Tom Hanks. 1978 wurde seine Plastik-Schreibmaschine in einer Werkstatt abgelehnt und er kaufte – wie die Erzählerin in seinem Buch, die vom alten Ladeninhaber beraten wird – eine „Hermes 2000 […], die fortgeschrittenste mechanische Schreibmaschine überhaupt“. Einfühlsam schildert der Autor die Justierung der Tastenbewegungen. Der Restaurator gibt Anweisungen, wo die Maschine stehen sollte und wie sie bedient werden muss: „Spannen Sie immer zwei Bögen ein, um die Walze zu schonen. Bestellen Sie Umschläge und Ihr eigenes Briefpapier.“ Die Schreibmaschine ist ein Ausdruck romantischen Schwelgens in einer mehr und mehr verbleichenden Vergangenheit sowie des Wunsches nach Beständigkeit.

Immer dann, wenn das romantische Schwelgen in amerikanischen Kitsch abzugleiten droht („New York, New York sah aus wie eine Stadt ohne Ende, warf einen Lichtschleier in die Nacht, der die niedrig hängenden Wolken golden verfärbte und das Wasser wie farbigen Rauch schimmern ließ.“), erdet Hanks seine Erzählung mit kritischen Statements, ohne dabei den Zeigefinger zu heben: „Da war zu viel Amerika in seinem Kopf.“ Das Flüchtlingsdrama Geh zu Costas ist daher auch einer der Höhepunkte des Erzählbandes. Die Schilderungen des Leides des bulgarischen Flüchtlings Assan und seines Freundes sind so geschickt in die Story eingewoben, dass jeglicher Moralisierung der Boden entzogen wird. Assan strandet nach einer langen Odyssee ohne Papiere und Kontakte in New York und lernt dort Ablehnung, Hot Dogs und Coca-Cola kennen.

Auffallend ist, wie viele Markennamen in Hanks Texten auftauchen. Gerne verhilft er Marken, Produkten und Schauspielkollegen zu lobenden Erwähnungen in seinem Buch. Das nonchalante Namedropping in seiner Erzählung Wer ist wer? verhilft Drew Barrymore zum Kompliment, sie „beherrsche“ die Bühne. Die Stimmen von Julie Andrews und Sinatra werden gelobt. Nur dem Mädchen, das „zwei Möpse hatte, die die Jungs erzittern ließen“, wird kein Name gegeben. Hanks schreibt visuell. In jeder Szene wird zuerst geklärt: Wer steht wo im Raum und bewegt sich wohin? Wer blickt wen an? Daran schließen die Dialoge an. Er verwendet kurze Sätze und wenige Worte, um Charaktere oder Handlungsorte zu beschreiben. Namen und Produkte helfen ihm dabei, schnell Bilder in den Köpfen seiner Leser zu erzeugen. Hinzu kommen häufige Unterbrechungen durch Klammerzusätze, die – angelehnt an die Schilderung eines Drehbuchs – Regieanweisungen gleichen. Außerdem tragen deutliche Bezüge zur Filmografie Hanks dazu bei, dass das New York aus e-m@il für Dich (1998) ebenso lebendig wird wie die Kriegsveteranen aus Der Soldat James Ryan (1998) und die Raumfahrer aus Apollo 13 (1995). Vermutlich werden insbesondere Fans des Schauspielers sein Buch erwerben und sich mit Genuss in die Welt der Filme versetzen lassen.

Tom Hanks ist ein überragender Schauspieler. Doch ein Schauspieler muss nicht unbedingt ein perfekter Geschichtenerzähler sein. Er wagt sich auf das Terrain der Schriftstellerei und ist hier bei Weitem nicht der souveräne Star, an dessen Können kein Zweifel besteht. Das wird besonders in der Erzählung Ein besonderes Wochenende deutlich, in der der zehnjährige Kenny das Steuer eines einmotorigen Flugzeugs übernehmen darf. Hanks hält hier die Erzählperspektive nicht konsequent ein. Mal spricht der allwissende Erzähler zum Leser, erläutert den Rahmen der Szenen, dann wieder nimmt er die Perspektive des Kindes ein und berichtet in einfacher Sprache von den Eindrücken des Jungen. Nicht alle Hintergründe kann Kenny verstehen, sie werden aber dennoch erläutert. Die Beziehung zwischen dem Erzähler und der Geschichte wirkt gestört und verkrampft.

Vielleicht sollte das Buch mit nicht so hohen, gedämpften Erwartungen in die Hände genommen werden. Denn Tom Hanks ist eine sympathische Geschichtensammlung gelungen, mit der es sich im Sommerurlaub in Hollywood-Szenen schwelgen lässt und die auch als mal lustige, mal nachdenkliche und stets kurzweilige Bahnlektüre, die mit allerhand Eindrücken, Skurrilitäten, aber auch konkreten Ereignissen und Problemen angereichert ist, dienen kann.

Titelbild

Tom Hanks: Schräge Typen. Stories.
Übersetzt aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence.
Piper Verlag, München 2018.
347 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783492057172

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