Ein ganz normaler Mord

Margriet de Moors Roman „Von Vögeln und Menschen“ zeigt Abgründiges im Alltäglichen

Von Simone Sauer-KretschmerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Simone Sauer-Kretschmer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein alter Mann von neunzig Jahren ist tot. Außergewöhnlich ist daran erst einmal gar nichts, und so ist es stets mit den Romanen von Margriet de Moor: Wollte man nur ganz oberflächlich beschreiben, worum es in Von Vögeln und Menschen geht, dann wäre die Handlung schnell erzählt, erfahren hätte man über den Roman auf diese Weise aber kaum etwas. Denn de Moors Kunst liegt so sehr im Detail, im Spannungsaufbau und in den sich langsam entfaltenden Tiefenschichten ihrer Charaktere, dass man sich dem, wovon der Roman eigentlich erzählt, nur ganz langsam nähern sollte. Unter der Oberfläche nämlich, wird es roh und gewaltig.

Der alte Mann namens Bruno Mesdag ist keines natürlichen Todes gestorben, sondern wird aus niederen Beweggründen ermordet. Verhaftet wird für diese Tat nicht die eigentlich schuldige Person, sondern eine andere Frau, die das Verbrechen sogar gesteht. Zwischen der unschuldig Einsitzenden und der schuldig in Freiheit Lebenden besteht jedoch ein unsichtbares Band. Die Jahre vergehen und eines Tages kommt es zu einem weiteren Mord. Hass, Rache und der Wunsch nach einem Ausgleich für das entstandene Unrecht führen zurück zu dem Tag, an dem Bruno Mesdag mit seinem Gürtel erwürgt worden ist, an dem wenige Augenblicke und eine Entscheidung die Leben mehrerer Menschen für immer verändert haben.

Margriet de Moor erzählt die Geschichte Marie Linas, der Tochter der zu Unrecht Verurteilten, ihres Mannes und ihrer gemeinsamen Familien in ruhigen, klaren Sätzen, die so aufgeräumt wirken wie die Leben ihrer Figuren. Aufrichtig, plan- und vorhersehbar sind ihre Wege aber nur auf den ersten Blick und die unwahrscheinlichen Morde sind nur die äußersten Spitzen merkwürdiger Ereignisse, für die es kaum Erklärungen gibt. Von dem Spannungsverhältnis zwischen zwei verschiedenen Welten, die durch eine Tat dauerhaft miteinander verbunden sind, erzählt de Moors großartiger Roman, der alltägliche Situationen auf Ausnahmezustände treffen lässt. Heraus kommt dabei die Geschichte eines ganz normalen Lebens – jedoch mit etwas mehr Liebe und etwas mehr Hass.

Titelbild

Margriet de Moor: Von Vögeln und Menschen. Roman.
Übersetzt aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen.
Hanser Berlin, Berlin 2018.
264 Seiten, 23,00 EUR.
ISBN-13: 9783446258198

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