Zwischen Komik und den ernsthaften Dingen des Lebens

Bov Bjerg, schriftstellerisch und kabarettistisch begabt, ist zu Gast bei den 42. Tagen der deutschsprachigen Literatur 2018 in Klagenfurt

Von Lea BittnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lea Bittner

Ein Autor, dem das Redigieren seiner Texte mehr Spaß bereitet als das Schreiben, ist eine Seltenheit. Eine Sammlung aus über 20 angefangenen Heften, in denen nie mehr als ein Absatz, manchmal nur ein Satz geschrieben steht, ist auch nicht überall zu finden. Doch das ist die Welt von Bov Bjerg, einem Schriftsteller und Kabarettisten, der nicht nur aufgrund seines Namens aus der Menge heraussticht. Bjerg, der seine Notizen lieber auf losen Zetteln denn in gebündelten Heften festhält, hat sich als Kabarettist und Autor einen Namen gemacht und ist vor allem durch die Gründung einiger Lesebühnen und diverse erfolgreiche Veröffentlichungen seiner Werke bekannt; sein Name hat deutlichen Wiedererkennungswert. Nun wird er zu Gast sein bei den 42. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt und dort auf Einladung des Grazer Professors Klaus Kastberger lesen. Kastberger ist unter anderem Leiter des Literaturhauses Graz, sein Arbeitsschwerpunkt ist die Österreichische Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts.

Bjerg, geboren 1965 in Württemberg, heißt mit bürgerlichem Namen Rolf Böttcher. Seinen Künstlernamen verdankt er einem Leuchtturm an der Westküste Jütlands und einer Silvestertour mit ein paar Freunden. Seit der Reise dorthin teilt der Leuchtturm Bovbjerg Fyr seinen Namen mit dem deutschen Autoren. Bjerg lebt seit 1984 in Berlin und studierte dort, in Amsterdam und Leipzig Linguistik, Niederlandistik, Politik und Literatur. Schriftsteller zu werden war dabei noch gar nicht geplant, es sollte eigentlich in Richtung Journalismus oder Lehre gehen. 1989 gründete er mit Freunden die unabhängige Literaturzeitschrift Salbader und entdeckte die Höhnende Wochenschau für sich, die als erste Berliner Lesebühne gilt. Das Konzept der Lesebühnen überzeugte ihn so sehr, dass er kurz darauf selbst an der Begründung diverser Lesebühnen beteiligt war, darunter die bekannte Reformbühne Heim & Welt sowie Dr. Seltsams Frühschoppen, die im Jahr 1990 in einem besetzten Haus in Berlin-Mitte ihren Anfang nahm. Gemeinsam mit Horst Evers und dem Musiker Manfred Maurenbrecher trat Bjerg ab 1996 regelmäßig als Kabarettgruppe Mittwochsfazit auf. 2002 erhielt die Gruppe den Deutschen Kabarettpreis. Während Bjerg auf der Bühne aktiv war, veröffentlichte er auch journalistische und literarische Beiträge in Zeitungen (u.a. TAZ und SZ) und Zeitschriften, unter anderem in der Satirezeitschrift Titanic. Ab 1997 arbeitete Bjerg zwei Jahre lang als Redakteur der Zeitschrift Eulenspiegel und ist seitdem auch fester Bestandteil des Kabarettistischen Jahresrückblicks.

Große Bekanntheit erlangte Bjergs Theater-Komödie Krebs ist auch keine Lösung (2015, Uraufführung Polittbüro Hamburg). Mit viel makabrem Humor erzählt sie die Geschichte eines Paares, das in seiner Verzweiflung über die mögliche Krebserkrankung der Frau versucht, den Alltag aufrecht zu erhalten, sich mit Mut und Humor dagegenzustemmen und nicht in den Sorgen unterzugehen. Seinen Durchbruch als Romanautor schaffte Bjerg schließlich mit seinem Roman Auerhaus (2015, Blumenbar) – einem Projekt, das eigentlich nicht geplant war, sich nur durch Zufall ergab und zum Beststeller wurde. Bereits ein Jahr nach Erscheinen kauften und adaptierten verschiedene Theaterbühnen die Geschichte und eine Verfilmung wurde geplant. Bjerg selbst schrieb bei dieser am Drehbuch mit. Der Film erscheint 2019. Auerhaus erzählt die Geschichte einiger jugendlicher Freunde, die in einem Dorf eine Wohngemeinschaft gründen, um sich um einen Freund zu kümmern, der daran zweifelt, dass das Leben für ihn noch lebenswert ist, und mit dem Gedanken spielt, Selbstmord zu begehen. „Vera leuchtete runter. Auf den Stufen lag Frieder. Ich: ,Weint er?‘ Vera: ,Er lacht.‘ Frieder lag auf dem Rücken, den Kopf treppauf. Unter der Bommelmütze kniff er die Augen zusammen. Er kicherte: ,Ich hab’s gemacht! Ich hab’s gemacht!‘ Ich stieg über ihn rüber, nach unten. Aus den Sohlen seiner Stiefel bröckelte der Schnee. Unten an der Treppe lag die Axt.“ Mit diesen Worten beginnt der Roman Auerhaus. Bjerg zieht den Leser von Anfang an mitten ins Geschehen und schafft es mit seiner liebevollen Ausarbeitung der Figuren, schnellstmöglich eine natürliche Sympathie des Lesers mit den Protagonisten herbeizuführen.  

Während Auerhaus zum Erfolgsroman wurde, nahm die Geschichte von Bjergs Debütroman Deadline (2008, Mitteldeutscher Verlag) eine etwas andere Wendung. Der Roman, der gleichzeitig Bjergs Diplomarbeit darstellte, wurde 750 Mal gedruckt. 224 Exemplare wurden verkauft, der Rest 2013 bei einem Lagerbrand vernichtet. Eine Geschichte, die Bjerg selbst schmunzelnd hinnimmt und darüber nur sagt, diesen Roman würde es nicht mehr geben. Die Geschichten, die er in seinem Buch Die Modernisierung meiner Mutter (2016, erneut Blumenbar)veröffentlichte, sind ruhiger und nicht so mit Witzen überladen wie seine Lesebühnentexte. Die Texte in diesem Buch entstanden im Laufe von 20 Jahren und wurden in diesem Zeitraum sowohl online als auch in Printmedien veröffentlicht, zu denen kleine Anthologien und Homepages zählen. Seine Lesebühnentexte publizierte Bjerg nie in Buchform.

Obwohl Bjerg große Erfolge als Kabarettist feierte, bezeichnet er sich selbst lieber als Schriftsteller. Als Schreiber, der vorliest, wie er es in seinem Portraitvideo zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur ausdrückt. „Der Schriftsteller hat den größeren Nimbus. Ich nenn mich lieber Schriftsteller, weil das mehr hermacht“, sagt er dort über sich selbst. Ironie habe für ihn in der Vergangenheit eine größere Rolle gespielt als in der Gegenwart, mal als etwas Komisches und mal als eine „fade Art, sich zu immunisieren“ gegen Zumutungen, Ängste und anderes. Ihm gefallen kleine Formen häufig besser, er findet sie ästhetisch interessanter als Romane und sieht den Vorteil, dass man mit dem Schreiben schneller fertig ist als bei langen Geschichten. Dennoch ist er den meisten Menschen eben durch seinen Roman Auerhaus bekannt – ob gewollt oder nicht.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen