1968 in der deutschen Literaturwissenschaft: Zu einer von Sabine Koloch herausgegebenen Sonderausgabe von literaturkritik.de

Am 15. Juni 2018 ist eine von Sabine Koloch herausgegebene Sonderausgabe von literaturkritik.de über 1968 in der deutschen Literaturwissenschaft mit ersten Beiträgen erschienen. Im Laufe des Jahres kommen neue Beiträge hinzu. Angebote zur Ergänzung sind der Herausgeberin willkommen.

Das Projekt folgt dem Impuls, die Fachgeschichtsschreibung zur 68er-Zeit auf den Prüfstand zu stellen. Es möchte Lücken in den bisherigen Forschungen zur 68er-Zeit aufdecken, sie hinterfragen und zu ihrer Schließung beitragen. Besondere Beachtung findet dabei die Denk- und Erfahrungswelt der Student/innen, Assistent/innen und Dozent/innen und hier besonders der Achtundsechziger/innen.

Im Zentrum stehen bisher Beiträge über die Literaturwissenschaftlerin Marie Luise Gansberg (1933-2003), eine Pionierin der „Women’s Studies / feministischen Literaturwissenschaft“, so ihre eigene Wortwahl. 1968 lehrte sie als Assistentin des Literaturwissenschaftlers Friedrich Sengle an der Universität München, seit 1970 an der Universität Marburg, wo sie 1972 zur Professorin am Institut für Neuere deutsche Literatur ernannt wurde. Die Herausgeberin porträtiert sie ausführlich unter dem Titel „Marie Luise Gansberg: die Erfolgreiche, die Tabubrecherin, die Traumatisierte“. Weitere Beiträge befassen sich mit der „Nachkriegsgermanistik in der Kritik“, dem „Berliner Germanistentag 1968“, der „Assistenten-Flugblatt-Gruppe“ und mit „1968 aus der Perspektive der Auslandsgermanistik“.

Hartmut Rosshoff, der ebenfalls an der Universität Marburg unterrichtete, hält seine Erinnerungen an die 68er-Bewegung in Briefform fest. Er erlebte den tödlichen Schuss auf den Romanistik- und Germanistikstudenten Benno Ohnesorg aus nächster Nähe und saß mit Rudi Dutschke im gleichen Seminar. In seinen Beobachtungen bricht sich eine weitere Sicht auf die Folgen von 68 Bahn.

Der sich 1975 an der Freien Universität Berlin habilitierende Altgermanist Paul-Gerhard Völker war wie Gansberg Teil der Assistenten-Flugblatt-Gruppe und einer der Protagonisten der Münchner APO. Sein politisches Engagement kostete ihn die akademische Karriere. Die Frage, wer er war und wofür er eintrat, wird in mehreren Beiträgen skizzenhaft verfolgt.