Lachen über das Mittelalter

Louise D’Arcens beleuchtet in „Comic Medievalism“ das Komische des Mittelalters in seiner Rezeption

Von Marc-André KarpienskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marc-André Karpienski

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Medievalism. Dies ist das hervorzuhebende Schlagwort des Buches Comic Medievalism von Louise D’Arcens. Was aber meint dieser Begriff? Medievalism ist jede Nutzung des ‚Mittelalters‘, ob wissenschaftlich oder in popkulturellen Kontexten. Es geht also um die Rezeption, Anwendung und Adaption mittelalterlicher Ideen, Praktiken und Vorstellungswelten als Grundlage für die eigene spätere Epoche. Diese Nutzung kann zwischen Bewunderung und Ablehnung changieren, je nach Aussageabsicht und Weltbild des Nutzers. In Deutschland wird man das hier Umschriebene wohl eher als Mittelalterrezeption und Geschichtskultur bezeichnen.

Louise D’Arcens ist Professorin an der Macquarie University in Sydney, wo sie unter anderem zu medievalism forscht und publiziert. Sie nimmt sich im besprochenen Buch der komischen Seite der Mittelalterrezeption an, wobei es nicht um die aus heutiger Sicht anachronistischen oder unfreiwillig komischen Aspekte der Rezeption geht, sondern um den bewussten Humor, um das Lachen „at, with and in the Middle Ages“. Die Autorin möchte anhand verschiedener Beispiele aus unterschiedlichen Medien und Epochen zeigen, was als komisch am Mittelalter empfunden wurde, wie dieser Humor im Kontext seiner Rezeption funktionierte und wie dies die Wahrnehmung des Mittelalters und auch der jeweiligen Moderne beeinflusst hat.

Das Buch ist dabei gut strukturiert und bietet eine klare Präsentation der Themen. D’Arcens leitet ihr Werk mit einer Einführung in die Mittelalterrezeption und die verschiedenen Spielarten des Komischen ein. Theoretisch grundiert und anhand von ersten Beispielen verdeutlicht sie anschaulich, warum über Mittelalterliches gelacht wurde und wird.

So widmet sie das erste Kapitel hauptsächlich Don Quixote als Kommentar auf das komische Mittelalter und als methodische Einführung in ihr Buch. Mit diesem Abschnitt lotet sie die unterschiedlichen Modi der Nutzung des Mittelalters aus. Im anschließenden Kapitel beschäftigt sie sich mit der Rezeption Geoffrey Chaucers im 18. Jahrhundert. Im Fokus steht dabei die Bewunderung wie auch Verspottung Chaucers und seines humoristischen Sprachgebrauchs, was D’Arcens an vielen Beispielen überzeugend darstellt. Thematisch passend folgt ein Kapitel zum italienischen Theaterautor Dario Fo und seiner sozialkritischen Nutzung des Mittelalters. Die beiden letztgenannten Zugänge zum Mittelalter sind in der Weise miteinander verbunden, dass sie die Nutzung mittelalterlichen Humors in späteren Rezeptionen und literarischen Repräsentationen deutlich aufzeigen.

Der nächste Teil des Buches widmet sich in zwei Kapiteln der Parodie des Mittelalters im populären britischen Theater des 19. Jahrhunderts und im Kino der Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei kaum ein popkultureller Klassiker ausgelassen wird. Die letzten beiden Kapitel schließlich verlassen das Feld der fiktionalen Darstellungen und blicken auf Formen des Edutainments. Hierbei werden erfolgreiche britische TV-Serien untersucht, die mit viel Humor historische Sachverhalte präsentieren, wie Worst Jobs in History oder Horrible Histories. Daran anschließend blickt D’Arcens auf den Tourismus zu historischen Orten und wie man dort das Eintauchen in die vergangene Welt mit der ironischen Brechung zusammenbringt. Hier scheut sich D’Arcens auch nicht, in die olfaktorischen Aspekte der Living History einzuführen.

Trotz des engen Themenzuschnitts reichen etwas mehr als 180 Seiten Text nicht aus, um ein allumfassendes Bild zu generieren, was der Autorin auch bewusst ist. Sie wählt exemplarisch aussagekräftiges Material aus, das sie ausführlich in den Blick nimmt, und möchte mögliche Aspekte des comic medievalism aufzeigen, auch wenn es unklar bleibt, inwiefern die gewählten Beispiele besonders wirkmächtig oder wesentlich in der Mittelalterrezeption sind. Leitend für sie sind eher die Theorien zur Komik, die sie mithilfe der gewählten Beispiele in einen mittelalterlichen Kontext stellt.

D’Arcens’ Auswahl zeigt dabei eine profunde Kenntnis der beschriebenen und sehr divergenten Phänomene der Mittelalterrezeption. An einigen Stellen wünscht sich der Historiker vielleicht eine stärkere Einbettung der beschriebenen geschichtskulturellen Aspekte in thematisch, räumlich und zeitlich umfassendere Zusammenhänge. Insgesamt ist ihre Auswahl stark an englischsprachigen Phänomenen ausgerichtet, sodass auch die Literaturauswahl fast gänzlich englischsprachig ist. Anderssprachige Forschungsliteratur kommt dabei zu kurz.

Comic Medievalism ist insgesamt eine beeindruckende Untersuchung der Mittelalterrezeption und ihrer Auswirkungen auf die moderne Kultur. Als wissenschaftliches Werk bietet es eine tiefe und anspruchsvolle Analyse der Komplexität und Vielfalt dieses besonderen kulturellen Phänomens.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Louise D'Arcens: Comic Medievalism. Laughing at the Middle Ages.
Paperbackausgabe.
Boydell & Brewer, Rochester 2017.
212 Seiten, 25,99 EUR.
ISBN-13: 9781843844785

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