Der Zauberschlüssel zum Frauenherz
Federico Andahazi entdeckt das "Land der Venus"
Von Oliver Pfohlmann
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseWären wir Männer nur ausnahmsweise einmal ehrlich! Spricht uns Mephistopheles mit seinem Rat, daß der Weiber Weh und Ach stets aus einem Punkte zu kurieren sei, nicht ganz aus der spärlich behaarten Männerbrust? Gewiß, solche Überlegungen gelten heutzutage zu Recht als frauenverachtend und sind ja auch bestimmt nicht richtig (oder nur dann, wenn für Männer Analoges gilt). Doch wie in jedem Vorurteil irgendwie, oder treffender gesagt, irgendwo etwas Wahres steckt, so auch hier. Präzise anatomisch gesprochen, läßt sich der ominöse Punkt zwischen den Fehler! Hyperlink-Referenz ungültig. lokalisieren und wurde erstmals im Jahre 1557 von dem Italiener Matteo Realdo Colombo entdeckt. Diese Entdeckung steht im Mittelpunkt von Federico Andahazis Roman "Im Land der Venus".
Die epochale Bedeutung des Arztes und Anatoms Colombo rückt erst heute ins allgemeine Bewußtsein. Wahrscheinlich hat ihn der Ruhm seines Namensvetters animiert, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen. Colombos Ein-Mann-Expedition durchstreift ein weniger weit entferntes, gleichwohl im 16. Jahrhundert noch weitgehend unbekanntes Land. Sein Amerika erweist sich auch als nicht viel größer als ein Nadelkopf. Umso größer freilich ist seine Bedeutung. Denn dem ruhmsüchtigen Arzt geht es eigentlich nicht in erster Linie um das Wohl seiner Patientinnen, das da mit einemmal so unverhofft und willig unter seinen Händen zuckt. Vielmehr ist er durch reinen Zufall auf diesen "Zauberschlüssel, der Frauenherzen öffnet", gestoßen. Und einen solchen benötigt er dringend, ist er doch unglücklich in die wunderschöne Mona Sofia, die teuerste Hure Venedigs, verliebt. Wer das Zentrum der Lust beherrscht, so der bezeichnende Schluß von Colombos Ratio, besitzt endlich die Macht über den "Flatterwillen des Weibes".
"Amor Veneris", Liebe der Venus, tauft Colombo seine Entdeckung, die ihm in seinen lustfeindlichen Zeiten prompt Ärger mit der Inquisition beschert. In seiner von Aristoteles und christlichen "Geistesgrößen" inspirierten Verteidigungsschrift bemüht er sich nachzuweisen, daß er mit dem Amor Veneris beim Weib das körperliche Analogon zur Seele des Mannes gefunden hat. Kein Wunder, daß die Männer der Inquisition diesen rechtschaffenen Christenmenschen, der so furchtlos die animalische Natur des Weibes enthüllte, freisprechen. Sein Buch "De re anatomica" landet aber zur Sicherheit trotzdem auf dem "Index librorum prohibitorum".
Natürlich ist es kein Zufall, daß der Autor dieses auf den letzten Ausläufern der Eco-Welle schwimmenden, augenzwinkernden und witzigen philosophie-pornographischen Romans Psychoanalytiker ist. Das Phantasma von der männlichen Herrschaft über der Frau, die Frau als willenloses, jederzeit verfügbares Objekt - derartige Wünsche ließen sich vermutlich bei jedem Mann, könnte man nur tief genug in seine Seelenabgründe blicken, auffinden. Auch in Freuds Umgang mit seinen hysterischen Patientinnen zeigt sich ja mitunter unverhohlener Machismo. Der 1963 geborene und in Buenos Aires lebende Analytiker Federico Andahazi (vom Foto her könnte der dämonisch gestylte Südamerikaner jederzeit den Mephistopheles spielen) hat mit seinem Erstling in Argentinien für einen Skandal gesorgt. Der ihm von einer Jury zugesprochene Literaturpreis wurde ihm von der Stifterin des Preises, der bejahrten und sich in ihrem sittlichen Empfinden gestört fühlenden Doña Amalia, wieder aberkannt. Unschuldiges Argentinien, kann man da nur sagen.