Stilles Glück und leuchtende Pracht
Gilbert Fels verwebt in „Der Gebrauch von Gärten“ kunstvoll Poesie und Prosa
Von Thorsten Paprotny
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEin profaner, nahezu ernüchternder Titel ziert diesen poetisch-prosaischen Erkundungsgang durch Flora und Fauna in vertrauten Gärten, in denen oft ein kundiger Gärtner mit unsichtbarer Hand und kindlicher Freude an der blühenden Pracht verborgen zu agieren scheint. Gilbert Fels, Germanist und Philosoph, erinnert sich, taucht ein in eine kleine bunte Welt der Gewächse und Insekten, auch in das weite Land der eigenen Erinnerungen, die mit gärtnerischer Fantasie verknüpft werden. Diese „Lyrikerzählung“ – eine bemerkenswerte Verbindung von Erzählformen – veranschaulicht die Schönheit der Gartenkunst.
Ganz zu Beginn taucht schemenhaft und angedeutet die Gegenwart auf. Skizziert werden Bilder der Verwüstung, mit denen tagtäglich die Medien aufwarten, eine Welt, in der „Eden so unerreichbar“ und zugleich „so nah“ erscheint, vor der eigenen Haustür gelingt nämlich „eine Flucht / in ein Paradies“. Vom Walnussbaum und Haselwildwuchs erzählt Fels – und wer dies betrachtet, staunend erlebt und dankbar anschaut, spürt bei sich selbst, wie ein „Schub Freude“ inwendig erfahren wird: „streife die Schuhe ab, Strümpfe, den andern / spür, bar beengender Hüllen, dies Weiche, Schmeichelnde, Kühle an deinen Füßen /den Lufthauch auf deiner Haut“.
In einem gelingenden Garten, so schwärmt der Erzähler, werde die Stille spürbar, „was keineswegs meint die Abwesenheit jeglichen Lauts“, denn den Windhauch gibt es dort ebenso wie Vogelrufe und Bienengesumm, doch der Garten schützt vor dem „Anbranden der Welt“. Auf gewisse Weise schenkt der Garten ein bergendes Obdach gegen Meinungswut und Empörungsrausch, vor dem Wahrnehmen und Vernehmen der Meinungen, die geäußert werden, vor der Jagd nach Nachrichten und Neuigkeiten. Im Garten lässt sich atmen, durch- und aufatmen. Eine Oase wie diese liegt buchstäblich nebenan. Auch „verschmähte Äpfel“ werden sichtbar, die Erinnerung an das „Milchlicht eines Vorfrühlingstags“ und die Aussicht auf „noch geheimere Gärten“, in denen Pflanzen und Blumen gedeihen, „so viele noch, die du nicht kennst / deren Geheimnis dir noch aufgehen muss“.
Mit sanfter Ironie schildert Fels jene Gewächse, die für die „besondren Kinderfreuden“ sorgen – also bestaunt werden, aber nicht so gern verkostet werden, nämlich alle Formen von Kohl, von Kohlrabi über Grünkohl bis zu Wirsing – „Zucchini waren damals Gottseidank noch nicht erfunden, du hattest an dem andren schon genug zu kauen /aber sie ernten helfen, hat dir Spaß gemacht“. Ein wahrer Lobgesang auf Gras folgt sodann:
Gras ist offen für
jeden Beitrag gemeinsam
Wiese zu werden
wenn du das Gras nicht
auf der Stelle mähst kann dir
was blühen im Mai
Blütenfelder, naturbelassene Wiesen sorgen für „Augenblicke des Entzückens“, für eine reine Freude an der Schau dessen, was wächst und farbenfroh leuchtet. In dem einen oder anderen Garten wird auch ein Mädchen entdeckt, „eine schlanke große blonde nordische Wunderschönheit, schon fast ganz Frau / die auch dich sehr interessiert ansah / und immer wieder wart ihr unauffindbar / überhörtet die Rufe, nein: / ignoriertet sie / in diesem Garten / in höchster Verliebtheit“.
Der Garten schenkt auch dem „Aufruhr der Gefühle“ weiten Raum, auch wenn diese Zweisamkeit, eine Ferienliebe, dann in Briefen versandet und vergeht, denn „es gab kein nächstes Mal mehr / mit ihr“. Die Zeit vergeht, die Gärten wandeln sich und bleiben doch gleich naturhaft, Orte für Vogelschau und zarte Begegnungen. Unvergessen bleibt die „Bank des Erblickens des Pirols“ und mancher philosophische Gedanke über das eigentlich philosophische Geschöpf, die Katze nämlich, die auch den Garten aufsucht, um darin zu verweilen. Gilbert Fels sinniert: „was regiert die Katze, dass sie ihren Weg so und nicht anders nimmt, so und dort innehält, sich gehen lässt, träg und wollüstig dem Frühling hingegeben / ihre Bahn ist völlig ohne Form, gesetzlos, regellos / Arabesken auf Asphalt, auf Gras / und in der Zeit / sie hat offenbar jetzt keine Pflichten / gerade dass sie, aber selbst das achtlos, ihren Schatten wirft“.
Die Katze lässt sich nicht einhegen oder steuern, sie bewegt sich geschmeidig und nachlässig, planlos, doch nach eigenen Regeln, die sich niemandem erschließen und auch nicht deuten lassen müssen. Ein schönes Wort wählt Fels, denn „was regiert die Katze“ – sie ist so unterwegs, wie es ihr beliebt, und manchmal gelingen in wundersamen Gärten Begegnungen zwischen Mensch, Tier und der Natur überhaupt, denn räsoniert wird in diesem Garten nicht, aber es gelingt, darin auf Zeit zu Hause zu sein.
Gilbert Fels dichtet über Gärten, und doch hat er mitnichten ein episches Versgedicht verfasst, vielmehr eine sehr besondere Form der Erzählung, die auch Raum für Poesie der Natur lässt, in die Erinnerungen verwebt und auf gewisse Weise eingewachsen sind. Dieser schmale, sehr besondere Band lädt zu paradiesischen Spaziergängen in den Garten der Dichtung ein.
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