Traumszenen und E-Mails

Boris Hoge-Penteler schildert in seinem Roman „Liebe Dunkelheit“ sprachgewaltig das Innenleben eines passiven Mannes, dem die Dunkelheit lieb ist

Von Rainer RönschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rainer Rönsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Werbung für dieses Buches ist so vollmundig wie rätselhaft. Sie spricht von einem Roman, „der in traumwandlerisch-halluzinativer Sprache die Grenzen zwischen Innen- und Außenwelt auf kunstvolle Weise zum Verschwinden bringt.“

Es geht also um „Wahrnehmungen ohne nachweisbare externe Reizgrundlage“, denn so wird Halluzination definiert. Wenn aber die Grenze zwischen Innen- und Außenwelt verschwindet, wie soll der Leser dann erkennen, ob der Erzähler halluziniert oder sich erinnert und ob die E-Mails – denn um die geht es in diesem „Briefroman“ – von der Hauptfigur Nilas tatsächlich verfasst und abgeschickt werden. Unklar bleibt auch, ob die bei ihm eingehenden Mails real sind.

Die eigenständige Sprache („auf dem wehrlosen Gang ins Büro“, „Deine Abwesenheit ist dabei so unbegrenzt“ und vieles mehr) hat mich zunächst gefesselt. Immer stärker aber wurden meine Bedenken, ob mich dieser bis auf das manische Mailschreiben untätige Nilas interessieren kann, der Sterne nur sieht, wenn er sie sich selbst an den Himmel malt.

Die Antwort war spätestens ab Seite 47 ein klares Nein. Dort heißt es: „Ich merke selbst, wie ich im Leeren herumrühre, aber immer so, als wäre es eine Fülle.“ Dieses sprachlich hochstehende, aber ergebnislose Herumrühren ließ mich gleichgültig dafür werden, ob die von Island träumende Solveig je dort angekommen ist und was aus dem spurlos verschwundenen Sten wurde, der als Rächer in das Dorf des Geschehens zurückkehren wollte.

Diese Gleichgültigkeit bekam mir gut, denn ich erfahre bis zum Ende nicht, was der gemeinsame Schrecken war, der diese Leute als Kinder zusammenführte und was in dem Dorf „zwischen See und Meer“ geschah, das zu ihrem Schicksalsort wurde.

Der Autor wird als „Meister der Schilderung gefährdeter Innenwelten“ gerühmt. Wen es nicht stört, dass ein Buch nur aus Traumszenen besteht, der wird diesen Roman genießen.

Titelbild

Boris Hoge-Benteler: Liebe Dunkelheit. Briefroman.
kul-ja! publishing, Erfurt 2023.
301 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-13: 9783949260131

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