Lyrik gegen das Regime

Roland Berbigs Portrait des "Lyrikclubs Pankow"

Von Daniel BeskosRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniel Beskos

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Berliner Ch. Links Verlag vermittelt mit der Reihe "Forschungen zur DDR-Gesellschaft" umfangreiche Einsichten in politische, soziale und kulturelle Strukturen der ehemaligen DDR und bezieht dabei in der bisher 18-bändigen Reihe "Analysen und Dokumente" auch Akten der Staatssicherheit mit ein.

Der vorliegende Band "Der Lyrikclub Pankow" beschäftigt sich mit einem im Osten Berlins privat initiierten Literaturzirkel, der ständig zwischen Angepasstheit und Protest gegen die Repressionsmaßnahmen der Staatssicherheit und der Regierung schwankte und in dem so bekannte Namen wie Bettina Wegner, Uwe Greßmann und Richard Pietraß erstmals ihre Texte einem Publikum vorstellten. Der langjährige Clubleiter Hans Laessig hat in seinem Nachlass umfangreiche und detaillierte Aufzeichnungen zu Geschichte und Inhalten des Clubs hinterlassen. Zusammen mit einigen Literaturstudenten der Humboldt Universität untersuchte nun der Berliner Literaturwissenschaftler Roland Berbig diesen Nachlass und präsentiert die Ergebnisse in diesem vorliegenden Band. Es finden sich Aufsätze zu verschiedenen Themenschwerpunkten des Clubs, eine genaue Chronik seiner Geschichte und eine Mitgliederstatistik.

In seinem Aufsatz "Sich von der Masse abheben" geht Jan Böttcher auf den Hintergrund der Entstehung des Clubs ein. Er zeigt die Zusammenhänge des Clubs mit der "Lyrikwelle" der sechziger Jahre in der DDR auf: Nach Walter Ulbrichts Aufruf "Stürmt die Höhen der Kultur!" entstanden überall im Land Zirkel schreibender Arbeiter. Doch der Pankower Club hatte immer den Anspruch, sich deutlich von diesem politischen "Literaturdiktat" abzusetzen und bot vor allem in seinen Anfangsjahren 1965 - 1970 ein offenes Forum auch für regimekritische Inhalte. Unter anderem demonstrierten einige Clubmitglieder auf der Straße und auch in ihren Gedichten gegen die Teilnahme der DDR-Truppen bei der sowjetischen Invasion in Prag am 21. August 1968 und der damit verbundenen Beendigung des "Prager Frühlings", der wie für viele Intellektuelle in der DDR auch für die Dichter des Lyrikclubs eine Hoffnung auf einen humaneren Sozialismus dargestellt hatte. Im Zuge dieser Aktionen wurde der Lyrikclub Pankow von der Staatssicherheit observiert, viele Mitglieder mussten vor Gericht aussagen und der Dichter Peter Will wurde für einige seiner Gedichte 1970 sogar zu drei Jahren Haft verurteilt. Seiner Geschichte widmet der Herausgeber Roland Berbig einen Aufsatz.

Aber auch zu anderen wichtigen Einzelpersonen des Clubs finden sich eigene Aufsätze, etwa zu den zwei Clubleitern nach 1970, Wolfgang Tilgner und Hans Laessig, dem schon 1969 im Alter von 36 an Tuberkulose gestorbenen Dichter Uwe Greßmann und dem Schriftsteller Richard Pietraß. Außerdem enthält dieses Buch einen Aufsatz zum schwierigen und langjährigen Entstehungsprozess der Lyrikanthologie "Vogelbühne", herausgegeben 1983 von Dorothea von Törne, in der viele der Pankower Autoren erstmals einen Zugang zu einer breiteren Öffentlichkeit fanden.

Auch wenn einige Informationen notgedrungen mehrfach erwähnt werden, so ist in diesem Band die Aufgabenverteilung an die verschiedenen Autoren gut geglückt, die einzelnen Aufsätze setzen sich zu einem klar strukturierten und lebendigen Bild des Lyrikclubs Pankow zusammen.

Abgerundet wird das Buch von einer Anzahl veröffentlichter und unveröffentlichter Gedichte aus dem Lyrikclub und seinem Umfeld, einer Textcollage mit Zitaten aus dem Jahr 1968, vielen Fotos und Abbildungen sowie der schon eingangs erwähnten Mitgliederstatistik und Chronik.

Daniel Beskos

Titelbild

Roland Berbig: Der Lyrikclub Pankow.
Ch. Links Verlag, Berlin 2000.
300 Seiten, 19,40 EUR.
ISBN-10: 386153214X

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch