Von den Ritualen pubertierender Freibadbesucher

Hermann Peter Piwitts "Ein unversöhnliches Ende"

Von Oliver PfohlmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Pfohlmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ich ist gar nichts. Man hat es am Hals." So sieht es also aus, das Fazit des Intellektuellen am Ende des Jahrhunderts und aller sich im Nichts verlierenden Reflexionen. Während der Rest der Welt Schlange zu stehen scheint, um einmal im Leben live über Themen wie "Meine Mutter war einmal ein Mann und will es wieder werden" plappern zu dürfen. Der 1935 in Hamburg geborene Hermann Peter Piwitt, Geheimtip seit seinem 1965 erschienenen Erstling "Herdenreiche Landschaften", hat sich nach längerem Schweigen mit einer als "Roman" bezeichneten Sammlung von irrwitzigen Parabeln, Skizzen und Miniaturen zurückgemeldet. "Ein unversöhnlich sanftes Ende" ist der resignativ-zynische Ausdruck für die Krise, in die der gesellschaftlich engagierte Künstler angesichts dessen gerät, was sich mit den Schlagworten 16 Jahre Helmut Kohl, Ballermann 6 und "Vera am Mittag" umreißen läßt.

"Ich sitze da und sehe den Wolken zu, nicht weil sie mich interessierten, sondern weil sie hin und wieder die Sonne freigeben, die mir allein noch etwas sagt." Sagt der "Reisende", der sich auf einer Expedition ins "Territorium" befindet, dem deutschen Alltag. Mit virtuoser Lakonie erzählt der Reisende von seinen haarsträubenden Beobachtungen: Von einem Unbekannten, der Jäger zur Strecke bringt und weidgerecht ausweidet. Von einer Mutter, in deren Phantasie ein Erzieher Hunderte von Kindern mißbraucht. Von den Ritualen pubertierender und erwachsener Freibadbesucher. Und von den "Zur Hand Gehenden", die einst für die "Creadores" arbeiteten, diesen aber so viel Gewinn einbrachten, daß sich die Creadores vom angehäuften Kapital Maschinen kaufen konnten, die die Zur Hand Gehenden überflüssig machten. Was die nun nicht mehr Zur Hand Gehenden keineswegs resignieren läßt: "Im unerschütterlichen Glauben, daß ein Auskommen für alle nur über die Bereicherung weniger zu erzielen sei, hoffen sie, daß es ihnen wieder gutgeht, wenn es nur den Creadores immer besser geht." Dagegen sind sich die Creadores einig, daß die Zur Hand Gehenden als Käufer wie als Kostenfaktor versagt haben. Und vergrößern das Heer der "Gei-Fei's", der Geistes- und Gefühlsarbeiter im Zeitungs- und Bildschirmwesen, die vor allem eines tun: Zuversicht verbreiten.

Wen einmal wie den Reisenden Piwitt der große Menschenekel gepackt hat, dem bleibt nur wenig Grund zur Freude. "Würgen überkommt ihn, wenn er einem Artgenossen begegnet. Leichte Nahrung behält er nur in menschenleeren Gegenden." Am Ende, so seine Befürchtung (oder gar Hoffnung?), wird alles wie in einer amerikanischen Kloschüssel enden: in gewaltigen Wirbeln wird sich alles noch einmal immer enger drehen, bevor es für immer wegschlürft. Bis dahin aber freuen wir Mitreisenden uns, solche Expeditionsberichte lesen zu dürfen.

Titelbild

Hermann Peter Piwitt: Ein unversöhnlich sanftes Ende.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1998.
183 Seiten, 17,40 EUR.
ISBN-10: 3498052942

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