Monolog vom Mauersturz

Thomas Brussigs "Helden wie wir" als Hörbuch

Von Stefanie DaschkeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Daschke

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mitte der neunziger Jahre sorgte Thomas Brussigs Wende-Roman "Helden wie wir" für Aufsehen. Günter Grass bezeichnete die Ich-Erzählung seinerzeit als "wütendes, brillantes, seinen aggressiven Ton haltendes Buch, nicht larmoyant geschrieben, sehr komisch". Der Roman wurde als "ostalgischer Schelmenroman" und "saftigste Deutschland-Geschichte unserer Tage" bezeichnet. Auch Wolf Biermann lobte ihn. "Ich empfehle es Ihnen - das Buch -, es ist ein herzerfrischendes Gelächter", schrieb der Liedermacher im "Spiegel".

Nun darf weiter gelacht werden: Gut sechs Jahre, nachdem der Roman in die Buchläden kam und die Bestsellerlisten eroberte, ist die Geschichte des Ostberliners Klaus Uhltzscht jetzt als Hörbuch erschienen. Der nach dem Bucherfolg einsetzende Verwertungszirkus - aus dem Text wurden flugs Theaterstück und Kinofilm gefertigt, während Brussig zum beliebten Talkshow-Gast avancierte - ließ eine intermediale Pop-Version des Romans à la Stuckrad-Barre befürchten. Doch wer von dem Hörbuch Musikeinspielungen, Promi-Stelldicheins und Live-Mitschnitte erwartet, der wird von den vier CDs eines Besseren belehrt. Texttreue statt Pointen-Comedy, Lautmalerei anstelle von Effekthascherei - das scheinen Brussigs Mottos gewesen zu sein.

In knapp vier Stunden liest der Autor wesentliche Auszüge aus dem Monolog des Klaus Uhltzscht, der ehemaligen Nobelpreishoffnung, dem komplexbeladenen Toilettenverstopfer, Multiperversen, Sachenverlierer und persönlichen Blutspender Erich Honeckers, der schließlich mit seinem Penis die Berliner Mauer zum Einsturz bringt. Und wohl keiner könnte dieser absurden Lebensbeichte, die unser "Held" dem amerikanischen Journalisten Kitzelstein in zynischer Rückschau zu Protokoll gibt, seine Stimme besser leihen als ihr Erfinder. Mal kühl und resignierend, dann wieder klagend und selbstverliebt: Brussig gibt das Selbstgespräch des "unsympathischsten Helden, (den) je eine Gesellschaftssatire aufzubieten" hatte ("Hanebüchlein"), in erfrischend jungem, schnodderigen und dezent ostdeutsch eingefärbten Tonfall wieder, ohne sich weit von der Textvorlage zu lösen. Nur hier und da werden Prädikate nach vorne gezogen, bleiben längere Dialogpassagen der Buchversion ganz außen vor. Auch die ständigen Wiederholungen einzelner Sätze, die das Lesen bisweilen zu einer Gedulds- und Nervenprobe hatten werden lassen, sind der Schere zum Opfer gefallen - als Hörer vermisst man sie ebenso wenig wie Klaus Uhltzschts seitenlange Masturbationsphantasien.

Brussigs puristische Vortragsweise erinnert an herkömmliches Vorlesen, die wenigen technischen Effekte sind mit Bedacht eingestreut und wirken herrlich unspektakulär - eintönig wird es dank Brussigs nuancenreicher Sprachführung nicht. Lediglich der Gastauftritt von Katharina Witt (die ehemalige Eiskunstläuferin intoniert mit reichlich Pathos die Rede Christa Wolfs vom 4. November 1989) mag sich nicht so recht in Brussigs ruhig dahingleitenden Sprechfluss einfügen.

Titelbild

Thomas Brussig: Helden wie wir. 4 CDs.
Eichborn Verlag, Frankfurt 2001.
25,50 EUR.
ISBN-10: 3933686741

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