Der Klang der Resignation

Elke Schmitter liest "Frau Sartoris"

Von Ann-Katrin RaheRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ann-Katrin Rahe

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit "Frau Sartoris" ist Elke Schmitter ein viel gelobtes Roman-Debüt gelungen. Das Werk wurde im Literarischen Quartett besprochen, und Marcel Reich-Ranicki urteilte: "Das Buch hat ein Element, das ich außerordentlich schätze: Das ist Prosa mit Charme, mit außergewöhnlicher stilistischer Qualität." Der SWR produzierte nun das Hörbuch dazu.

Margarethe Sartoris ist verheiratet, hat eine fast volljährige Tochter und lebt in der Provinz. Aus diesem Jetzt-Zustand heraus wird die Geschichte der Ich-Erzählerin entwickelt. In chronologischen Rückblenden, die die eigentliche Geschichte ausmachen, erinnert sich die Protagonistin an ihre Jugend, die erste große Liebe mitsamt tragischer Enttäuschung und die folgende Leidenszeit, die sich über Jahrzehnte hinzieht, bis sie schließlich wieder liebt. Man erfährt, wie sie den Gutsbesitzersohn Philip Rhienäcker kennen lernt und sich in ihn verliebt: "Er war in seiner Zärtlichkeit so sicher, in seiner Zartheit so ganz auf mich bezogen, dass ich mir nichts anderes vorstellen wollte, als dass es immer so weiterging." Die Beziehung übersteht den Sommer nicht. Philip verlobt sich mit einer anderen, die aus besseren Verhältnissen stammt. Margarethe erleidet einen Nervenzusammenbruch: "Der blaue Himmel freute mich nicht... Ich fühlte ja nichts." Doch um Philip zuvorzukommen, rächt sie sich an sich selbst und heiratet sehr rasch Ernst, einen Sparkassenangestellten, dessen Lebensziel Gemütlichkeit ist: "Er hatte keine Wünsche mehr. Aber daran starb er nicht, damit lebte er." Sie bekommen eine Tochter, Daniela, zu der Margarethe nicht mehr als eine mechanisch fürsorgliche Beziehung aufbauen kann: "Sie ließ sich nicht gerne von mir berühren." Mit der Zeit wird Daniela größer und Ernst dicker. Schließlich mit etwas über vierzig lernt Margarethe Michael kennen. Sie beginnen eine Affäre, und Margarethe Sartoris beginnt wieder zu empfinden: "Ekstasen unserer Herzen und Körper." Sie blüht auf und ersinnt den Plan, mit Michael alles hinter sich zu lassen und irgendwo mit ihm ein neues Leben zu beginnen. In diesen letzten Teil der Geschichte mischt sich zunehmend ein anderer Handlungsstrang, der einen zunächst völlig im Unklaren lässt. Man beginnt zu rätseln, wie sich diese Anspielungen der Protagonistin in den Hauptplot einfügen ließen. Eine Spannung baut sich auf, wer und was denn hier gemeint sein könnte. Erleichtert wird das Verstehen dadurch, dass diese Einschübe für den Zuhörer durch Kanalwechsel hörbar gemacht werden. Und schließlich verflechten sich Zeit, Raum und Personen dieser beiden Stränge zu einer Einheit. Das Ende klärt auf und lässt dennoch einiges offen. Alles scheinbar gleichgültig und dennoch bewegend. "So war das", lautet der letzte Satz.

Elke Schmitter liest selbst, und über die Gesamtlänge von 210 Minuten bleibt die ihrige auch die einzige Stimme. Resigniert und seltsam unbeteiligt klingt sie. Als ob sie aus einer großen inneren Entfernung heraus erzählen würde. Eine eigenartige Distanz, denn sie ermöglicht gleichzeitig die Verschmelzung der Stimme Schmitters mit der Perspektive der Protagonistin. Margarethe Sartoris hat verloren, was ihr wichtig war. Ihr Dasein ist bestimmt von einer emotionslosen Gleichmütigkeit. Genau dieses Gefühl vermittelt auch Schmitters Stimme. Zunächst ist sie etwas befremdlich. Man vermisst Pathos, Lebendigkeit und andere schauspielerische Ansätze. Doch der Ton ändert sich nicht. Die ersten Sätze klingen wie die letzten. Nur das man am Schluss weiß, was man am Anfang noch nicht wissen konnte: Die Stimme spiegelt exakt den Gemütszustand der Protagonistin wider und jeder Stimmeinsatz wäre eine Mühe, die die Heldin nicht mehr gewillt ist aufzubringen.

Titelbild

Elke Schmitter: Frau Sartoris. CD.
Verlag Audiobuch, Freiberg 2001.
210 Minuten, 18,40 EUR.
ISBN-10: 3933199247

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