Was einer so redet...

Drei Theaterstücke von Dea Loher

Von Ingeborg GleichaufRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ingeborg Gleichauf

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Pause", "Stille", "Schweigen", und sonst: Worte, die nach der Wahrheit suchen, die lügen, die nicht wissen, wohin es mit ihnen geht. Die Fragen der Menschen sind immer die gleichen: Wer bin ich? Wer bist du? Wo beginnt und endet mein Weg? Was ist es mit der Liebe und dem Hass?

Auch in den Stücken von Dea Loher geht es um nichts anderes. Immer sensibler und pointierter geht die Dramatikerin mit ihren Figuren und deren Leben um. Dea Loher, 1964 in Traunstein geboren, gilt zu Recht als eine der begabtesten neuen Dramatikerinnen. Ihre Stücke schockieren, verzaubern und ziehen in Bann.

"Manhattan Medea", 1999 uraufgeführt, spielt in New York. Medea, von Jason verlassen, plant ihre Rache. Man kennt die Geschichte und weiß, welche Faszination diese Frauenfigur auf dichterische Gemüter immer wieder ausgeübt hat. Und nun Medea im Dickicht der Metropole, zwischen Geschäftemachern, Herumlungerern, gesellschaftlich Geächteten und Kriminellen. Ein gehörloser Transvestit hilft Medea bei der Suche nach einem geeigneten Mordinstrument und bei der Beschaffung der Waffe. Medea, enttäuscht vom Leben, sagt von sich, sie habe das Wahre im Dauernden gesucht und nun muss sie erkennen, dass es Dauer nicht gibt, schon gar nicht in New York, der "Stadt der Verwandlungen". So bleibt ihr nur das Töten. Mit Gewalt erreicht sie eine Dauer, die des Todes. Erst in der Einsamkeit einer grauenvollen Tat existiert für sie kein Gesetz mehr außer ihr selbst. Mit Jason war sie durch ein Verbrechen verbunden. Gemeinsam hatten sie Medeas Bruder getötet. Nun erfolgt auch die Trennung von ihm durch das Verbrechen. Gewalt durchzieht wie ein roter Faden die Phasen dieser Beziehung. Absolutheit in der Liebe kann es nicht geben und ist auch durch die Sprache des Theaters nicht herzustellen. Die Sehnsucht danach aber ist in den Pausen präsent, jenseits der Wörter, im Schweigen zwischen den Menschen. Dieses Schweigen tötet Medea.

Auch in "Blaubart - Hoffnung der Frauen" steht die Frage nach der absoluten Liebe im Zentrum. Die Frauen lieben Blaubart "über die Maßen", aber er weiß nicht, was das heißt. Blaubart sucht das Gefühl, das hinter den Worten steckt. Wieder ist es einzig die Gewalt, die "Erlösung" bringt, Ruhe vom ewigen Getriebensein auf der Suche nach der vollkommenen Liebe. "Die Blinde", der gegenüber Blaubart glaubt, eine Liebe über die Maßen zu empfinden, tötet ihn.

Es herrscht Hoffnungslosigkeit in beiden Stücken Dea Lohers. Der scheinbare Ausweg aus der Gewalt führt nirgendwohin. Das Gesetz, das die tötenden Frauen für sich beanspruchen, vereinsamt sie. Ausbrechen aus der Tragik dies er Art Leben kann vielleicht nur einer: Velasquez in dem Stück "Manhattan Medea". Er ist Doorman in der Fünften Avenue und Maler, Kopist des "echten Velasquez". Dieser Mann will nicht das Absolute, er gibt sich zufrieden mit dem Abglanz, dem Schein und der Überzeugung, irgendwann werde aus der Kopie heraus das Echte hervorschauen.

Das Theater ist nicht das Leben und es zeigt nicht die Wahrheit. Dea Lohers Stücke aber bringen die Leser in einen Zustand der Erwartung, als könne irgendwann aus der Kunstsprache des Theaters die ganze Wirklichkeit zum Vorschein kommen.

Titelbild

Dea Loher: Blaubart - Hoffnung der Frauen. Manhattan Medea.
Verlag der Autoren, Frankfurt a. M. 1999.
140 Seiten, 13,30 EUR.
ISBN-10: 3886612082

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