Nicht nur für Sommerfrischler
Über Béla Balázs wiederentdeckte feuilletonistische Kostbarkeiten
Von Oliver Pfohlmann
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseWozu brauchen Engel Flügel? Warum zeigen Masken das wahre Gesicht? Was hat die Pfeife eines Schaffners mit Glück zu tun? Warum existieren Sachen, die man kauft, eigentlich gar nicht, dafür aber Dinge, die man gefunden oder geschenkt bekommen hat? Warum ist nicht, was man erlebt hat, entscheidend, sondern das, was man eben nicht erlebt hat? Und weshalb vergrößert jede Aufklärung über die Herkunft des Weihnachtsbaumes für Klein-Béla nur das Mysterium?
Antworten auf diese und andere Fragen finden sich in den feuilletonistischen Kostbarkeiten aus der Feder des ungarischen Dichters und Filmtheoretikers Béla Balázs. Hanno Loewy hat sie für den Berliner Verlag Das Arsenal ausgegraben, zum Glück der Leser. Damit liegt, nach "Die Jugend eines Träumers", der vor zwei Jahren wieder aufgelegten Autobiographie Balázs', bereits der zweite Band der Ausgabe mit seinen literarischen Werken vor. Zuerst erschienen sind diese bezaubernden Causerien Mitte der zwanziger Jahre in der Wiener Zeitung "Der Tag". Dort schlug sich der politische Emigrant, der in den Wiener Kaffeehäusern mit Max Reinhardt und Robert Musil verkehrte, mit solchen Gelegenheitsarbeiten durch, Seite an Seite mit seinem heimlichen Vorbild Alfred Polgar. Steter Hintergrund der Arbeiten ist das Thema der Fremdheit, der Wanderung: "Bist du ein Fremdling, so tust du gut daran, weiterzuwandern, um Distanz zu behalten. Denn das Gemüt ist klebrig, und leicht entsteht die Lüge einer Scheinheimat. Wandere weiter und bleibe fremd." So heißt es in Balázs "Phantasie-Reiseführer - Das ist ein Baedeker der Seele für Sommerfrischler", der 1925 als Bändchen bei Zsolnay erschien und nun glücklicherweise zum Abschluss dieser Auswahl wieder publiziert wurde.