Wenn die Muse zum Mörder wird

Paula de Lemos' Textband "Sabotage in Blau" unterläuft Lesererwartungen

Von Bianka BoykeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Bianka Boyke

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Was mache ich in einer Lesung über ein zum größten Teil unveröffentlichtes Werk, / wenn niemand die von Versen überfüllten Schubladen gesehen hat/ und nicht einmal ahnt, dass Gedichte mit Schweiß und Blut geschrieben werden?"

Dieser Satz aus dem Gedicht "Lesung" bildet den Auftakt zu "Sabotage in Blau" von Paula de Lemos, ein Buch, das nicht nur Poesie, sondern auch Kurzgeschichten und Krimis versammelt.

Die Portugiesin Paula de Lemos, 1962 geboren, studierte an der Universität Lissabon Lusitanistik, Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaften. Nach ihrer Tätigkeit an der Universität Trier arbeitet sie nun an der Universität Saarbrücken. Die Portugiesin versetzt sich genauso mühelos ins Hirn des luxemburgischen Großherzogs ("Gelüste"), wie in das einer griechischen Göttin ("Die Gefahr von der Muse geküsst zu werden"), jongliert dabei gekonnt mit der deutschen Sprache und landet immer wieder am Meer in Portugal, dem Hort ihrer Heimat:

"Ich träume von dem Meer meiner Kindheit,/ wo nicht nur Fische und Muscheln zu entdecken waren,/ sondern auch weiße Schafe und Kühe,/ Wiesen und Berge, Sand, Himmel und Sterne./ Ich träume von dem Meer meiner Kindheit,/ vom Geruch des Tejo und den warmen Nächten,/ von dem glänzenden, einsamen Strand,/ wenn die Möwen schon schlafen,/ Sonnenschirme auf dem Sand liegen,/ und die Stühle nur den Besuch des Mondes erwarten/...."

Zahlreiche Veröffentlichungen auf Portugiesisch und mehrere Auszeichnungen zeugen von ihrer poetischen Schaffenskraft: Ihre erste Auszeichnung bekam sie 1984 für die Erzählung "Para Alèm do Tempo". Mit ihrer ersten Kurzgeschichte in deutscher Sprache, "Mèlunsine oder Das Rätsel der Schöpfung", gewann sie 1998 den dritten Preis beim 1. Luxemburger Literaturpreis der Mehrsprachigkeit. Diese Erzählung gehört zu einem dreiteiligen Korpus ("Der luxemburgische Zyklus"), der komplett in "Sabotage in Blau" zu finden ist. In diesem ersten Teil des Zyklus' wird der Schriftsteller zum Schatten seiner eigenen Muse.

Mit ihrer zweiten Geschichte "Gelüste" bewarb sie sich ebenfalls um den Literaturpreis. Zwar wurde ihre Erzählung von der Herrscherfamilie in Luxemburg von der Jury gewürdigt, aber nicht zugelassen. "Die Erzählung", so die Begründung, verletze die "Würde der großherzoglichen Familie." In der Fiktion wird die chemische Struktur des Chlorophyllmoleküls - das als Thema des Wettbewerbes vorgegeben war - mit dem Stammbaum der Familie zusammengebracht. Die Rahmenhandlung zeigt das regierende Paar mit schwangerer Großherzogin im Ehebett. Sie spricht über ihre "Gelüste": Granatäpfel und Drachensteigen.

Diese Zurückweisung von "Gelüste" verarbeitet de Lemos in der dritten "luxemburgischen" Erzählung "Das Geschenk oder Die Macht eines Wettbewerbes", doch in ihrer ersten Buchpublikation widmet sich de Lemos nicht nur der Welt der Kurzgeschichten und der Poesie, sondern auch den Kriminalromanen. "Im Netz der Schlange" setzt das Genre auf eine satirische Art und Weise um. Schon in den ersten Sätzen des Krimis ("Peter Jakobs sitzt gerade im Auto. Er ist dabei Klaus Schmidt abzuholen, als er einen unerwarteten Anruf von Heinz erhält.") wird dies deutlich. Bei einer Kriminalgeschichte mit diesem Anfang wäre es sehr schwierig noch einen Spannungsbogen aufzubauen, doch das beabsichtigt de Lemos auch gar nicht, zumal der Leser schon zu Beginn der Geschichte den genauen Tathergang des Mordes erahnen kann. Besonders klar wird dies in mehreren Passagen, in denen die Handlungen in fast aufeinander folgenden Sätzen wiederholt werden, jegliche Spannung sabotiert wird. (Beispiel: "Danach ruft er Eva an, erklärt ihr die veränderte Situation und teilt ihr mit, dass Klaus zu ihr gebracht würde.

Klaus steht vor Evas Haustür. Der Inspektor hatte liebenswürdigerweise einen Kollegen darum gebeten, Klaus zu Eva zu fahren.")

Der auffälligste Passus ist allerdings der Schluss. Denn das Ende liest sich wie in einem Groschenroman: Die Exfrau (Eva) des zu Unrecht verdächtigen Klaus ist mit dem Inspektor zusammen, der den Fall bearbeitet hat. Zuvor waren sie sich nie begegnet. "Wenn der Text noch nicht veröffentlicht wäre", sagte die Autorin einmal in einem Interview, "hätte ich noch ein Kapitel angefügt und Eva hätte den Verbrecher geheiratet, ohne zu wissen, dass er es war."

Titelbild

Paula de Lemos: Sabotage in Blau. Erzählungen und Gedichte.
Edition Tréves, Trier 2001.
96 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-10: 3880814449

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