Wo sind sie bloß, die bunten Hunde?

Frank Pavloffs Erzählung "Brauner Morgen" erzählt vom Verlust der Autonomie

Von Melanie HoltzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Melanie Holtz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ab sofort sind nur noch braune Katzen erlaubt. Alle anderen müssen getötet werden und dafür gibt es sogar staatliche Unterstützung in Form von Arsenkügelchen.

In Franck Pavloffs Büchlein "Brauner Morgen" schildert ein namenloser Erzähler, wie er und sein Kumpel Charlie Schritt für Schritt ihre Freiheit verlieren. Angefangen hat es mit den Katzen, dann kommen die Hunde an die Reihe und als nächstes wird die Pressefreiheit aufgehoben. Jetzt gibt es nur noch die Braunen Nachrichten und wenige ausgewählte Bücher.

Ahnungsvoll verfolgt der Leser, wie zwei gemächliche Typen sich fügen, ihre Haustiere umbringen und sich nach kurzer Verwunderung eine braune Katze und einen braunen Hund zulegen. Alles, um ihre Ruhe zu haben. Zwar ist da etwas Ungesagtes, ein ungutes Gefühl, ein Zweifel, doch fadenscheinige wissenschaftliche Erklärungen und die Untätigkeit anderer dienen der Beruhigung.

Die Einsicht kommt erst mit der Angst. Charlie wird verhaftet, weil er "vorher" einen schwarzen Hund besessen hat; der Protagonist, einst Besitzer einer schwarz-weißen Katze, ist auf der Flucht vor der braunen Miliz. "Wir hätten Nein sagen sollen. Mehr Widerstand leisten", denkt er. Doch es ist zu spät: "Es klopft an der Tür."

Unbestritten spielt die Geschichte von Charlie und seinem Kumpel auf den Rechtsextremismus an; dazu trägt nicht zuletzt die Wahl der Farbe bei. So wurde Pavloffs Buch "Matin Brun" in Frankreich zum Bestseller, als im vergangenen Frühling der rechtsradikale Kandidat Le Pen bei der Präsidentschaftswahl fünf Millionen Stimmen erhielt. Ebenso könnte man Parallelen ziehen zu politischen Geschehnissen in Österreich oder Italien und natürlich zum deutschen Nationalsozialismus. In all diesen Fällen kam das Erwachen zu spät, konnte Intoleranz durch Mangel an Zivilcourage und kollektives Schweigen zum Gesetz werden. Immer fehlten und immer wieder fehlen "bunte Hunde", die sich zur Wehr setzen und für Toleranz kämpfen.

Doch auch wer vom Geschichtsunterricht noch nicht geprägt ist, wer nichts weiß von der aktuellen Politik, wer Le Pen, Haider und Berlusconi nicht kennt, wird Pavloffs Nachricht verstehen. Die Parabel des französischen Kinderpsychologen und Jugendbuchautors hat weder Zeit noch Ort. Sie ist wertvolle und bedeutungsschwere Lektüre für Jung und Alt. Menschen, die wenig Zeit haben oder dicke Bücher scheuen, werden erleichtert sein, wenn sie das zwölfseitige Heft, kürzlich im DistelLiteraturVerlag auf Deutsch erschienen, in der Hand halten. Doch die Erleichterung vergeht beim Lesen, denn über die elf Druckseiten geht die Geschichte weit hinaus. Der Leser wird merken, dass auch er gemeint ist. Wird fühlen, dass Aufmerksamkeit, Kommunikation und Mut zum Widerstand wichtig sind. Überall und immer wieder.

Titelbild

Franck Pavloff: Brauner Morgen.
Übersetzt aus dem Französischen von Wolfgang Rentz.
Distel Verlag, Heilbronn 2003.
12 Seiten, 1,90 EUR.
ISBN-10: 3923208715

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