Zu viel, zu wenig

Max Goldts' erstes überflüssiges Buch

Von Klaus Cäsar ZehrerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Cäsar Zehrer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Diese Auswahl seiner besten Kolumnen, betont Max Goldt im Vorwort, ist "für Novizen" gedacht und nicht für Leser, die seine anderen Bücher bereits kennen. Also nicht für mich. Denn die Kolumnen kenne ich nicht nur in- und auswendig, sondern preise sie ohne Unterlaß (vgl. literaturkritik.de 1999-01-23.html) als das Beste und Richtungsweisendste, was in den Neunzigern in Deutschland an komischer Literatur verfaßt wurde. Erst erschienen die Texte allmonatlich im Satiremagazin "Titanic", dann alle zwei Jahre gesammelt in Buchform. Goldt trägt sie auch landauf, landab mit großem Erfolg vor und veröffentlicht Mitschnitte der Lesungen auf CD. Und nun verdient der Meister der Mehrfachverwertung also zum fünften Mal an ihnen.

Sind die Kolumnen selbst auch über alle Kritik erhaben, so ist doch an der Zusammenstellung dieses "Best of"-Bands einiges auszusetzen. Ob nun der eine Text besser mit aufgenommen, der andere herausgelassen hätte werden sollen, sei dahingestellt - eine Auswahl ist immer subjektiv. Aber der Band enthält entschieden zu viele Texte; oder zu wenige. Alle 108 Kolumnen, die in neun Jahren entstanden waren, nehmen zusammen knapp 800 Buchseiten ein - hier werden 63 auf gut 500 Seiten präsentiert. Für ein erstes Hineinschmecken in die Goldt-Welt ist das viel zu üppig, und eine Gesamtausgabe ist es auch nicht. Die ersten beiden Jahrgänge, unbestreitbar schwächer, fehlen fast vollständig. Somit wird den Lesern auch das faszinierende Lektüreerlebnis genommen, zu beobachten, wie Goldt sich Monat um Monat selbst übertrifft und endlich seinen eigenen und einmaligen Stil findet.

In der Kompilation lernen wir nur den reifen Goldt nach der Adoleszenz kennen, der seine Kolumnen schon allein deshalb kaum zur Auswahl komprimieren kann, weil ihm fortan keine mehr wirklich mißrieten. Von den 24 Texten des Sammelbands "Die Kugeln in unseren Köpfen" fehlen denn auch nur vier, von den ebenfalls 24 aus "Ä" ganze fünf. Was also wäre den Novizen zu raten, die Geschmack an den Kolumnen gefunden haben? Sollen sie nur der paar aussortierten Texte wegen die vier Sammelbände (außer den "Kugeln" und "Ä" noch "Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau" sowie "'Mind-boggling' - Evening Post") nachkaufen? Nein, das lohnt nicht. Ich empfehle vielmehr, sich gleich das Gesamtwerk anzuschaffen - solange es noch lieferbar ist und nicht gänzlich durch diese geschönte Sparversion vom Buchmarkt verdrängt wurde. Sehr zu unrecht schämt sich Max Goldt nämlich für seine nicht ganz so brillanten Aufsätze so sehr, daß er sie am liebsten der Vergessenheit anheim geben möchte. Es soll ihm nicht gelingen!

Dieses sein erstes überflüssiges Buch aber eignet sich nur für diejenigen, die den Goldt zwar irgendwie schon ganz witzig finden, aber auch nicht süchtig nach seinen Texten sind und daher nicht unbedingt alles von ihm lesen müssen. Falls es solche Elemente geben sollte.

Titelbild

Max Goldt: Okay Mutter, ich nehme die Mittagsmaschine. Die besten Kolumnen.
Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Zürich 1999.
512 Seiten, 18,40 EUR.
ISBN-10: 3251004409

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