Was ist mit mir geschehen?
Heinz von Cramer bearbeitet Franz Kafkas Hörspiel "Die Verwandlung"
Von Petra Porto
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseKafkas "Verwandlung" beginnt mit einem der genialsten Sätze der Weltliteratur: "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt." In Heinz von Cramers Hörspiel ist aus dieser einfachen Feststellung ein komplizierter Monolog geworden, der schließlich in einem lapidaren "alles in allem könnte man meinen, dass ich mich in ein ungeheures Ungeziefer verwandelt hätte" mündet. Könnte man eben nicht nur meinen.
Was man allerdings meinen könnte, ist, dass das Hörspiel so schon keinen guten Einstieg in die Erzählung gefunden hat. Aus allen Beobachtungen des Ungeziefers Gregor sind die laut ausgesprochenen Gedankengänge eines Menschen geworden, die mit etwas unterlegt sind, was wohl an das Schaben von Käfergebissen oder ähnliches erinnern soll, sich auf die Dauer aber eher wie das Gebrüll eines wilden Tieres ausnimmt. Gelegentlich auch eher mechanisch, metallisch, maschinell, eher unmenschlich als nicht-menschlich klingt.
Und dann noch eine immer wieder eher ab- als aufschreckende Trompetenstimme, die an den "dramatischen" Stellen des Hörspiels einsetzt. Für Kafka hätte man sich vielleicht etwas Nüchterneres gewünscht.
Der Text der Erzählung ist stark gekürzt und, mit den Ausnahmen einiger Unterhaltungen, zu inneren Monologen der Hauptfigur umgestaltet worden. Manchmal gelingt dies wunderbar, und die neu geschaffenen Sätze reihen sich unmerklich in den Originaltext Kafkas ein, manchmal klingen sie sogar - in diesem Zusammenhang - "besser" als das Vorbild. Dann gibt es jedoch auch wieder Stellen, die eher unglücklich in die neue Form übersetzt wurden, Sätze, die aus dem Rahmen fallen und beinahe stören.
Der Sprecher des Gregor Samsa, Martin Reinke, gibt sich zwar redlich Mühe, die langen Selbstgespräche des Protagonisten abwechslungsreich zu gestalten; er spielt mit seiner Stimme, spricht schnell und verzweifelt, langsam und nachdenklich, laut und ärgerlich, leise und weinerlich - gelegentlich erweist sich der Text allerdings doch als zu spröde, um durch solche vokalen Kniffe an Lebhaftigkeit zu gewinnen. Statt dessen erlangt das Hörspiel immer dann Dynamik, wenn mehrere Sprecher miteinander interagieren (auch wenn die Texte sich ab und an arg abgelesen anhören).
Vielleicht eignet sich "Die Verwandlung" einfach nicht für ein Hörspiel, da der Großteil des Textes sowieso von einem Sprecher übernommen werden muss. Es gibt wenig Gelegenheiten für die Dinge, die ein Hörspiel für den Zuhörer interessant machen - die Gestaltung von Hintergrundgeräuschen, die Schwierigkeit, das Vergehen von Zeit oder den Wechsel des Ortes hörbar zu machen. All diese Möglichkeiten fehlen in der "Verwandlung" beinahe ganz. So entsteht ein unbefriedigendes Mittel zwischen Hörspiel und Hörbuch. Da hätte man den Text allerdings auch gleich in seiner Urform belassen und von einem einzigen Sprecher lesen lassen können. Dann wäre schließlich auch der Anfangssatz in all seiner einfachen Schönheit erhalten geblieben.
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