Eigentlich sind wir alle nett

Monika Marons Band "Geburtsort Berlin"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Monika Maron hat in den acht Texten des vorliegenden Bandes eine stille Liebeserklärung an Berlin verfasst. Darin spiegelt sich die deutsche Nachkriegsgeschichte ebenso nachhaltig wider wie die Biografie der Autorin. Berlin war (und ist) eine Nahtstelle im Leben der 62-jährigen Schriftstellerin, die als Stieftochter eines DDR-Innenministers aufwuchs, die FDJ durchlief, später mit dem sozialistischen Teil Deutschlands brach und vor dem Mauerfall nach Hamburg übersiedelte.

Die Texte, die in den letzten 17 Jahren entstanden sind (das Gros war schon vorher veröffentlicht), liefern keine pathetische Hymne an die alte und neue Hauptstadt, sondern es ist eine "Dennoch"-Liebe - trotz all der persönlichen und politischen Rückschläge, die für Monika Maron mit Berlin aufs engste verbunden sind und trotz des dort momentan grassierenden architektonischen Größenwahns ("Straßen und Plätze verändern sich täglich").

"Unsere mythischen Erinnerungen wurzeln in Anfängen, darum so oft in der Kindheit und Jugend", schreibt Monika Maron, die seit 1993 wieder in Berlin lebt. In den Kindheitserinnerungen treten sogar humorvolle Anekdoten zutage, eine eher seltene Facette in ihrem umfänglichen Œuvre. Als Kind einer überzeugten Kommunistenfamilie lernte sie früh, dass der Adel zum Klassenfeind gehört. Der märkische Dichterheros hieß für sie aus diesem Grund nur "Tane" - Ausdruck des Übereifers einer Fünfjährigen.

Vor allem zu den Menschen, denen man landläufig eine gewisse Schroffheit (die "Berliner Schnauze") nachsagt, verspürt Monika Maron eine starke Affinität. Sie klärt auf, dass die häufige Berliner Meckerei, der manchmal burschikos-rüde Umgangston, der sich hervorragend für die Kommunikation mit Hunden eignet (ein Text trägt den Titel "Die Berliner und die Hunde"), in Wirklichkeit ein "getarntes Gesprächsangebot" ist.

Charmante Töne und bissige, kritische Sequenzen stehen in diesem schmalen Band dicht nebeneinander. Ein nur leidlich funktionierendes Postamt verursacht bei der Autorin ebensoviel Verdruss wie der bekannte Bahnhof Friedrichstraße ("ein Ort voll stumpfer Dramatik") und einst die Mauer, die nicht nur eine politische Grenze darstellte, sondern auch das Denken einengte.

"Wir wollen trinken und ein bißchen weinen", ist ein Text dieses Bandes betitelt, und darin drücken sich Monika Marons ambivalente Gefühle treffend aus - zwischen Fröhlichkeit und Melancholie pendelnd.

"Groß, interessant, von unzähligen Seen und lieblicher Landschaft umgeben und von einem berüchtigten Menschenschlag bewohnt, aber schön war sie nicht, gewiß auch nicht, ehe sie zum Krüppel bombardiert wurde", befindet die Autorin in nüchternem Ton in einer Beschreibung ihrer Heimatstadt. Nach den zuletzt publizierten Romanen "Animal triste" (1996), "Pawels Briefe" (1999) und "Endmoränen" (2002) ist "Geburtsort Berlin" (illustriert durch eindrucksvolle Fotos von Monika Marons Sohn Jonas) nur eine unterhaltsame Petitesse im Gesamtwerk.

In Anlehnung an Reinhard Meys Berlin-Chanson "Ich trag den Staub von deinen Straßen" lässt sich für diese Aufsatzsammlung der gerühmten Romanautorin resümieren: Sie hat den Kopf voll von Erinnerungen, mehr als sie wohl in einem Buch erzählen kann.

Titelbild

Monika Maron: Geburtsort Berlin.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2003.
124 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-10: 3100488180

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