Schwierige Zeiten

Der Eugen Diederichs Verlag 1930 bis 1949

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die vorliegende Dissertation von Florian Triebel ist nicht zu Unrecht mit dem zweiten Preis der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (2002) ausgezeichnet worden. Der Band ist in der "Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte" erschienen, was indirekt schon auf die inhaltlichen Schwerpunkte der Verlagsmonografie verweist: Es werden vor allem die unternehmerischen Gesichtspunkte des Eugen Diederichs Verlags ins Auge gefasst und diese mit den kulturellen Aspekten des Verlagshauses verglichen. Dabei sind es vor allem auch die in der Verlagsgeschichtsschreibung bisher wenig beachteten Gesichtspunkte, die berücksichtigt werden: "Aus der zwiefachen Eigenschaft ihrer Produkte ergibt sich die doppelte Funktion von Buchverlagen. Sie agieren als Unternehmen zwischen den Anforderungen der Märkte und den Einschränkungen institutioneller Regelungen. Zugleich fungieren sie aber auch als Agenten und Schrittmacher für die Kultur ihrer Gesellschaft, mithin als Mediatoren zwischen Gesellschaft und Staat. Vorliegende Untersuchung analysiert den Eugen Diederichs Verlag unter diesen beiden Aspekten von der Übernahme der Geschäfte durch die Söhne des Verlagsgründers im Jahr 1930 bis zur Aufgabe des Verlagssitzes Jena 1949."

Die ins Zentrum der Untersuchung gestellten Aspekte geben dann logischerweise die Einteilung der Monografie vor. Einer "Einleitung" folgen drei chronologische Abschnitte: "Die Endphase der Weimarer Republik", "Nationalsozialismus" und "Alliierte Besatzung" sowie Beiträge unter dem Titel "Fazit", "Anhang" und "Tabellenteil" - wobei der Tabellenteil mit über 130 Seiten am umfangreichsten und für die meisten Leser wahrscheinlich auch am nutzbringendsten ist, enthält er doch die Quintessenz umfangreicher Archivarbeit, die in den Band eingeflossen ist.

Florian Triebel stellt seiner Untersuchung eine kurze Zusammenfassung der Verlagsgeschichte des Eugen Diederichs Verlages bis in das Jahr 1930 vorweg. Sie hätte vielleicht etwas umfassender ausfallen können, aber letztendlich wird der Leser dadurch nicht mit der Lektüre der Verlagsgeschichte der Zeit vor 1930 ermüdet, die er schon aus anderen Publikationen weitestgehend kennt. Nach knapp 30 Seiten setzt der Autor mit der Verlagsgeschichte in den letzten Jahren der Weimarer Republik ein. Er sieht in der Zäsur des Jahres 1930 - dem Todesjahr von Eugen Diederichs - nicht nur einen Generationswechsel, sondern vor allem auch einen strukturellen und ideologischen Wandel. Die Ambitionen des Verlagsgründers werden dabei ziemlich treffend beschrieben: "Eugen Diederichs [verfolgte] mit den Publikationen seines Verlages immer zwei Ziele: Zum einen sollte sein Engagement der 'deutschen Kultur' neue Impulse geben [...]. Zum anderen sah Diederichs die Aufgabe seines Verlages darin, den ideellen, literarischen und künstlerischen Ausprägungen der Moderne eine Heimstatt zu bieten. Hierzu gehörten auch seine Bemühungen, dem Buch in Deutschland ein künstlerisch ansprechendes Äußeres zu geben."

Von dieser Feststellung ausgehend wird der wirtschaftliche Schwerpunkt der Untersuchung deutlich. Der Blickwinkel ist nicht eine andere Perspektive auf den 'Kulturverlag' von Eugen Diederichs, sondern beschreibt detailliert die neue Ausrichtung des Verlages - vor allem unter nationalsozialistischer Herrschaft. Mit der Übernahme der Verlagsleitung durch die Söhne des Gründers trat die inhaltliche Grundlage des Verlagsprogramms und die persönliche Motivation und Bindung an die Verlagsthemen weitgehend in den Hintergrund. Das Unternehmen wurde "erwachsen", richtete sich am Markt und an den darauf herrschenden Gesetzen von Bedarf und Nachfrage aus und passte sich dabei den politischen Verhältnissen an - sofern dies in Bezug auf die völkischen, deutsch-völkischen und völkisch-nationalen Publikationen überhaupt nötig war.

Das Fazit des Bandes fällt unspektakulär aus: "Das Verhalten der Geschäftsleitung unter unterschiedlichen gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen spiegelt den doppelten Charakter von Verlagen: Das Kulturunternehmen Eugen Diederichs Verlag agierte zwischen 1930 und 1949 auf der Grundlage betriebswirtschaftlichen Kalküls und fungierte von diesem Fundament aus, angeregt und beschränkt durch Einflüsse aus der Umwelt, als Impulsgeber für Kultur und Gesellschaft seiner Zeit." Und das, obwohl noch einige Absätze vorher die durchaus explosive Feststellung gemacht wurde, die für die oft buchgeschichtlich und nur ästhetisch motivierte Verlagsgeschichtsschreibung durchaus ungewöhnlich ist: "In der Aufbauphase des Verlages bis Ende der 1950er Jahre verkaufte das Unternehmen einen guten Teil der in den Westen geretteten 'Altbestände', darunter auch einige Werke, die als ideologische Stützen des 'Dritten Reiches' gewirkt hatten. Einige dieser Bücher erlebten nach 1950 im Eugen Diederichs Verlag auch Nachdrucke und Nachauflagen. Diese Tatsachen relativieren auch Annahmen, es habe noch frühzeitig während des Krieges Bestrebungen der Brüder Diederichs gegeben, in Nachkriegsplanungen einen grundlegenden inhaltlichen Neuanfang zu wagen."

Es sind die Fakten, die dieser Verlagshistorie den praktischen Stempel aufdrücken. Einige zwar mehr oder weniger bekannte, aber in dieser Deutlichkeit nicht artikulierte Sachverhalte werden klargestellt und deutlich benannt, wie etwa die Verbindungen von ideologischer Ausrichtung des Verlagsprogramms und kaufmännischen Interessen. Die aufschlussreichen Verknüpfungen der Inhalte untereinander und die faktenreiche Unterstützung der Ausführungen durch den ein Drittel des Bandes umfassenden Anhang machen aus der Monografie ein erfreulich gut lesbares Standardwerk zur unternehmerischen Seite des "Kulturverlages" von Eugen Diederichs. Darüber hinaus ist diese Verlagsgeschichte aber auch ein Beispiel für eine kompetente und gut recherchierte Unternehmensgeschichte des 20. Jahrhunderts und damit auch ein Beitrag zur etwas anderen "Kulturgeschichte" des "Dritten Reichs".

Titelbild

Florian Triebel: Der Eugen Diederichs Verlag 1930-1949. Ein Unternehmen zwischen Kultur und Kalkül.
Verlag C.H.Beck, München 2004.
460 Seiten, 68,00 EUR.
ISBN-10: 3406522009

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch