"Sicht von außen und innen"

Ein Sammelband von Hans-Christian Stillmark blickt auf die Literatur der DDR zurück

Von Hannelore PiehlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hannelore Piehler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zeit zum Aufatmen: Die Welle der Ostalgie-Shows ist wieder abgeebbt. Die seriöse Auseinandersetzung mit der DDR, fernab von Broiler-Kalauern, ist jedoch nach wie vor unabdingbar. Das betrifft gerade auch ihre Literatur. Über 14 Jahre nach dem "deutsch-deutschen Literaturstreit" ist die DDR-Literatur nach wie vor ein umstrittenes Terrain. Das zeigt auch der von dem Potsdamer Literaturwissenschaftler Hans-Christian Stillmark herausgegebene Sammelband. Er enthält die Beiträge von Wissenschaftlern aus Ost und West zu einer Tagung zum Thema "Rückblicke auf die Literatur der DDR".

Der umfangreiche Band mit 15 Aufsätzen will eine "Sicht von außen und von innen gleichermaßen" geben, sind doch nach Überzeugung des Herausgebers die Urteile zur DDR-Literatur stets mit von den eigenen Erfahrungen und Erlebnissen mit dem untergegangenen SED-Staat mit geprägt. Dabei finden sich nicht nur Beiträge von deutschen Germanisten, sondern auch aus den Niederlanden, USA oder Italien - stets mit dem Ziel, Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen und bisherige Wertungen der DDR-Literatur kritisch zu überdenken.

So wie im Falle von Anna Chiarloni, die in ihren Reflexionen über Christa Wolf gerade dem sonst allenfalls als sozialistisch-realistisch-historisch eingestuften Frühwerk "Der geteilte Himmel" faszinierende Seiten abgewinnen kann. Oder bei Theo Buck, der in seinem Vergleich zwischen den in der DDR unveröffentlichten Büchern von Uwe Johnsons und Hans Joachim Schädlichs provokanterweise die ästhetischen Defizite und das quantitative "künstlerische Mittelmaß" von DDR- Autoren anspricht. Johnson und Schädlich freilich sind für Buck nie Autoren der DDR gewesen, "weil ihre Bücher dort ungedruckt blieben."

Andere Beiträge widmen sich dem Spiel-Begriff bei Christoph Hein, einem Literaturstreit um Erwin Strittmatter oder dem Klassiker Rainer Kirsch und dem Romantiker Franz Fühmann, den poststrukturalistischen Aspekten bei Wolfgang Hilbig, den Entgrenzungen der Dramaturgien in der DDR-Dramatik seit den 70er Jahren oder dem Arbeiter als zentraler Nebengestalt der DDR-Literatur. Wer sich mit der Literatur des SED-Staates kritisch auseinander setzen möchte, wird in diesem Band wertvolle Anregungen finden.

Titelbild

Hans-Christian Stillmark (Hg.): Rückblicke auf die Literatur der DDR. Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik Band 52-2002.
Rodopi Verlag, Amsterdam 2002.
493 Seiten, 7,99 EUR.
ISBN-10: 9042009454

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