Was George W. Bush und Ebay gemeinsam haben

Werbung als Kritik: Zwei Bücher aus dem Verlag Hermann Schmidt

Von Frank MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Werbung, so heißt es, sei schlechter als ihr Ruf. Dabei wird gerne übersehen, dass die professionellen Einwickler und Umgarner auch ganz anders können. Zum Beispiel, wenn sie, wie in den beiden vorliegenden Büchern aus dem Verlag Hermann Schmidt zu beobachten, dem Tierschutz frönen oder sich für soziale und politische Belange einsetzen, anstatt Putzmittel oder tiefgekühlten Spinat anzupreisen. In "Sushi" Nr. 7, der Dokumentation des ADC-Nachwuchswettbewerbs, zeigen drei Printmotive die Gefährdungen, die wir dem wertvollsten Lebensraum der Erde tagtäglich zumuten. Dabei besitzt der Ölteppich, der in den Anzeigen Super-Tankern oder Ölbohrplattformen entströmt, ausgerechnet die Kontur jener Spezies, die im Fall der Fälle als erstes von ihm dahingerafft werden: Robben, Wale und Meeresvögel.

"Was ist aus mir geworden?" Ein paar Seiten später wirbt der Vegetarierbund mit Aufnahmen von Hackfleisch und Kotelett. Das Schaurige: Aus der Fleischmasse blicken den Betrachter ein Paar Augen an. Auch zu durchaus handfestem Engagement vermag Werbung offenbar zu bewegen: Durch die Anwahl eines Tierfotos bei der Betätigung von Zigaretten-, Getränke- und Kaugummiautomaten wird jeder Geldeinwurf zur Spende für den Noah-Tierschutz. "Sushi" Nr. 7 erscheint in diesem Jahr als Wendebuch, und man würde sich wünschen, dass der Platz, den die im zweiten Teil versammelten Homestorys, Interviews und Infos zum Wohnzimmer-Konferenzraum samt Hintergrundinformationen von HORIZONT-Frau-des-Jahres, Karen Heumann, einnehmen, ebenfalls der besseren Hälfte zugute gekommen wäre.

Auch der Band "100 beste Plakate 04" belehrt über die verschiedenen Möglichkeiten, Werbung für gesellschaftliches, politisches und soziales Engagement einzusetzen. So wurde für das Fritz Bauer Institut die Kampagne "Biografien aus der Zeit des Nationalsozialismus" konzipiert. Auf den Plakatwänden sind jeweils überdimensionale Portraits zu sehen, unterschrieben von Headlines wie "Irene Block versteckte im Jahr 1942 eine jüdische Bekannte in ihrer Wohnung". Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas zeichnet die Portraits der zu erinnernden Opfer fast bis zur Unkenntlichkeit weich und nennt dazu die Daten der Deportation und Ermordung. Und der Arbeitskreis Shoa e. V. arbeitet aus Gründen der Authentizität mit Zitaten, die den Betrachter geradewegs auf eine Augenhöhe mit den Gräueltaten holen.

Was passiert, wenn Ereignisse der jüngeren Geschichte kritisch in den Blick geraten, verraten die Plakate mit den lachenden Gesichtern von George W. Bush, Condoleezza Rice und Donald Rumsfeld. Sie nutzen den Slogan der eBay-Werbung, um zu dramatisieren, wie nonchalant sich die USA alles dessen bemächtigt, was politisch und militärisch nicht niet- und nagelfest ist: "3... 2... 1... meins!"

Titelbild

Verein der 100 besten Plakate (Hg.): 100 beste Plakate 04. Deutschland - Österreich - Schweiz.
Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2005.
224 Seiten, 24,80 EUR.
ISBN-10: 3874396789

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Art Directors Club für Deutschland (Hg.): Sushi 7. Jahresheft des ADC Nachwuchswettbewerbs 2004.
Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2005.
260 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-10: 398085745X

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