Gepfefferte Dialoge

Robert Bracks zweiter Lenina-Krimi

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Man möchte mehr von ihr erfahren, möchte wissen, ob sie das Erbe des Vaters antritt und unbestechlich und idealistisch neue Fälle lösen wird." - so endete die Besprechung des Buches "Lenina kämpft" von Robert Brack in der April-Ausgabe von 2003 bei literaturkritik.de. Zweieinhalb Jahre sind seitdem vergangen, Lenina Rabe hat mittlerweile eine ganz offizielle Lizenz als Privatdetektivin, den alten Peugeot ihres Vaters, welcher im ersten "Lenina"-Roman ermordet wurde, übernommen, nicht aber dessen Schusswaffe. Außerdem hat sie, auch aus finanziellen Gründen, - die Bäume für eine junge Detektivin mit begrenztem Bekanntheitsgrad wachsen nicht schnurstracks in den Himmel - ihre privaten Räumlichkeiten in ihr Büro verlegt.

Soviel vorweg, um in "Haie zu Fischstäbchen" einzusteigen; ein Titel, der sehr nach "Schwerter zu Pflugscharen" klingt, allerdings sind mit den Haien wohl Immobilienspekulanten gemeint. Diese sind ein Teil des Verbrechens, das Lenina aufklären will, auch wenn ihr diverse private Schwierigkeiten im Weg sind, die aber, zumindest teilweise, mit dem Fall zu tun haben, wie sich im Verlauf des nicht übermäßig spannenden Romans herausstellt. Eine Frau, die im Viertel um den Spritzenplatz in Hamburg-Altona als Mary bekannt ist, irrtümlich von einigen Personen als Obdachlose kategorisiert wird, früher einmal Schauspielerin und eine Schönheit war, wird ermordet aufgefunden. Tom, ein Bekannter Leninas, der in dem Haus wohnt, wo auch sie selbst bis zu ihrem Umzug gewohnt hat und der ihr hin und wieder bei ihren Ermittlungen hilft, wird als Hauptverdächtiger verhaftet, da er mit Mary ein Verhältnis hatte und kurz vor deren Tod noch mit ihr zusammen gesehen wurde. Er war Wach- und Sicherheitsmann auf dem Gelände der ehemaligen Seifenfabrik, wo mehrere Gruppierungen - linke Aktionsbündnisse, alternative Szene, türkischer Kulturverein -, aber auch die Räume des Bauunternehmers Kutzke beheimatet sind. Lenina glaubt nicht an Toms Schuld und recherchiert in der Gegend. Dabei erfährt sie von diversen Machenschaften im Bereich der Immobilieninteressenten, von unheilvollen Verbindungen zwischen Pharmavertreibern und Türkenmafia. Und dann ist da noch Philipp, jener Philipp, der ihr bei ihrem ersten Fall mit seinem Netzwerk in der Antiglobalisierungsbewegung so viel geholfen hat. Schon damals knisterte es zwischen den Beiden, doch dabei blieb es. Im neuen Buch von Robert Brack ändert sich das und Lenina Rabe gibt sich ihrer Leidenschaft ihm gegenüber für kurze Zeit hin, obwohl sie von seiner Freundin Nadine, mit der sie selbst eng befreundet ist, weiß. Chaos, Ärger und wüste Eifersuchtsszenen sind vorprogrammiert. Leninas andere Freundinnen, die so gern die bunten Glückspillen eingeworfen haben, sind mittlerweile in Berlin. Philipp wird in seinen Aktionen zunehmend radikaler, unter anderem bricht er beim besagtem Kutzke ein, um dessen Pläne und die daraus hervorgehenden Verbindungen von Wirtschaft und Politik öffentlich zu machen. Der Zufall will es, dass er seinen Einbruch in der Mordnacht verübt hat. Er wäre ein Entlastungszeuge für Tom, was er aber ablehnt, da er sich dadurch selbst schwer belasten würde. Außerdem hat ihn seine Drogenkarriere in eine höchst problematische Lage gebracht, die Lenina nicht gut heißen kann, weswegen sie sich schnell wieder von ihm abwendet.

Robert Brack hat mit "Haie zu Fischstäbchen" einen hoch aktuellen und bezogen auf die Details der Handlung und Orte äußerst beeindruckenden Roman geschrieben, der sehr treffend einen Ausschnitt unserer Gegenwart wiedergibt. Mit Lenina Rabe ist eine couragierte, moralisch bereits sehr gefestigte junge Frau im Mittelpunkt des Buches, die ihre Kraft und Ausdauer aus Meditation, gesunder Ernährung und diszipliniertem Kampfsport-Training bezieht, dabei aber keineswegs langweilig und bieder ist. Lenina ist eine sehr vielseitige, kluge, dabei immer noch ein wenig unerfahrene Frau, die mit den unterschiedlichsten Typen fertig wird. Und davon gibt es in diesem Buch eine Menge, z. B. Sven, der eine riesige Bibliothek mit linker und autonomer Literatur besitzt und öffentlich zugänglich macht oder die etwas klischeehaft gezeichnete Kommissarin Brand, mit der sich Lenina bei jeder nur denkbaren Gelegenheit gepfefferte Wortwechsel liefert. Überhaupt ist auch Leninas zweiter Fall erneut ein Buch, das durch seine Dialoge sehr vital und kurzweilig geworden ist.


Titelbild

Robert Brack: Haie zu Fischstäbchen. Ein Fall für Lenina Rabe. Kriminalroman.
Edition Nautilus, Hamburg 2005.
191 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3894014660

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