Endlich wieder Breitwandrock
Matthias Penzel beweist mit "TraumHaft", dass deutsche Romane flirren können wie Musik und ein endloser Roadtrip
Von Martin Jankowski
Besprochene Bücher / Literaturhinweise"...ein Buch wie ein Song" sagt Udo Lindenberg zu diesem Buch. Aber - es ist wie ein ganzes Album. Man steigt ein in die Geschichte, ein Breitwandrockepos wie das Open-Air-Livekonzert einer Hard-Rock-Band in einer langen Sommernacht. Hunderte Saiten später steigt man aus und hat das Gefühl, es könnte ewig so weitergehen.
Viele schreiben Popliteratur und es ist nichts Besonderes - dies aber ist Rockliteratur und deshalb nicht das Übliche. Hier wird schnell erzählt von handgespielten Stromgitarren, mitunter wechselt die Tonart abrupt, bis irgendwann überraschend das Riff vom Anfang wieder auftaucht. Der Text erzählt mit lässigem Flow, mal auch in aufgepeitschtem Stakkato (so auch der Name der Buchreihe, in der der Roman erschien) vom Basser Niet und seinen Leuten, von Aufstieg und Fall der Rockband "ShamPain" und von den energiegeladenen Geschichten im Inneren des internationalen Musikbusiness.
Nachdem die Band in Australien bereits Erfolge feiern konnte, setzt sie nun an, auch die USA zu erobern. Wir begleiten Niet auf der entscheidenden Tour, erleben die Wucht der Begegnung mit Amerikas Show-Bizz und die Auswirkungen auf das innere Gefüge der Band. Wir erfahren von seinen Affären und heimlichen Plänen, werden Zeugen einer permanenten Bedrohung durch ominöse Runenbriefe und begleiten Niet beim inoffiziellen Treffen mit dem Musikgott seiner Jugend, dem Rockgiganten ZigZag.
Es ist ein flimmernd farbiges Panorama aus der Welt der anarchistischen Träumer, der ganzen Kerle mit der empfindsamen Seele, des Auf und Abs von Melodie und Rhythmus, Leidenschaften und Lebensentwürfen. Ein gut abgemischter Roman über Amerikas prägende Kulturvormacht - mit Niets Augen sehen wir Gods own Country in Hunderten eindringlichen Tag- und Nacht-Impressionen und folgen mit ihm der Frage, was all das bedeutet, dieses Breitwandformat, dieses superprofessionelle Weltkulturbusiness, wenn man aus Europa kommt.
Ganz sicher schäumt die Sprache in diesem furiosen Text - denn was wäre ein Livekonzert ohne ausuferndes Schlagzeugsolo, was ohne Gitarrenoverkill und Groupiegekreisch. Ganz nebenbei gibt uns Autor Matthias Penzel, der seit Jahren auch als Musikjournalist für die wichtigen Magazine der Branche arbeitet, jede Menge von dem mit, was es an Backstage-Erkenntnissen über die weite Welt des harten Rocks jenseits der Fandiskurse zu berichten gibt - und dass er wirklich was von dem versteht, worüber er schreibt. Alles ist unterlegt und durchwirkt von starker Musik (Muzak wird definitiv nicht gespielt in Penzels Rockepos): Endlich mal ein neuer Sound auf dem deutschen Büchertisch - dieses Buch rockt!
|
||