Zauberhafte Fernsehhexen

Johanna Mutzls Studie zur Fangemeinschaft der Fernsehserie "Charmed"

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Die Macht von Dreien" könne keiner entzweien, beschwört einer der Zaubersprüche der drei Halliwell-Hexenschwestern, unter Dämonen und anderen Zauberwesen auch bekannt als "die Mächtigen Drei" und von einer durchaus ansehnlichen Fan-Gemeinde als "Charmed Ones" verehrt. "Die Macht von Dreien...", so lautet auch der Titel einer Dissertation über eben diese Fangemeinschaft einer der gegenwärtig erfolgreichsten Fernsehserien nicht nur des Mystery-Genres. Johanna Mutzl hat sie verfasst. Mutzl, die sich ebenfalls als "Liebhaberin" der, wie der deutsche Serien-Titel besagt, "zauberhaften Hexen" outet, betont, dass sie bei ihrer Arbeit versucht habe, eine "innere Distanz" zum Thema und zu den Statements der Fans zu wahren. Dass ihr dies nicht immer ganz gelingen konnte, versteht sich.

Für ihre "im Rahmen der Cultural Studies angelegt[e]" Untersuchung holt die Autorin denkbar weit aus, in dem sie zunächst ihre methodischen und theoretischen Grundlagen darlegt, die Entwicklung der Fanforschung im Allgemeinen nachzeichnet und sogar die des Hexenglaubens von der Frühen Neuzeit an bis zum heutigen Wicca-Kult um Starhawk skizziert. Erst nach diesen quasi in das eigentliche Forschungsvorhaben allererst einleitenden Ausführungen, die immerhin mehr als ein Viertel der gesamten Untersuchung ausmachen, nähert sich Mutzl ihrem Forschungsgegenstand, indem sie zunächst die Serie selbst und sodann "Forschungsdesign und Durchführung" ihrer via Internet bewerkstelligten Fanbefragung vorstellt, an der sich 700 Fans aus annähernd 30 Ländern beteiligten. Abschließend widmet sie sich der "Bedeutungen von Fanseiten" im Internet.

In ihrer Darstellung der Serie zeichnet Mutzl die drei Hexen in "Charmed" allzu sehr als bruchlos starke Heldinnen. Schwächen und Ängste der Hexen werden von ihr unterschlagen. Und wenn Mutzl die drei Schwestern als "(post-)feministische" role models interpretiert, so ist das zwar nicht völlig von der Hand zu weisen, blendet aber die diesem Befund widersprechenden Gegendiskurse aus. Ein blinder Fleck ihrer Sicht auf die Serie, den sie bei den befragten Fans durchaus erkennt und kritisiert.

Mutzl führte ihre Fanbefragung zwischen dem 18.4. und dem 6.6.2003 durch. Zu dieser Zeit lief in den USA das Ende der fünften Staffel, in Deutschland war gerade die vierte abgeschlossen worden. Die Staffeln sechs und sieben, in denen sich einiges - wenn auch weniger Einschneidendes als zum Ende der dritten Staffel - ändert, mussten also ebenso unberücksichtigt bleiben wie die derzeit in den USA laufende und in Deutschland noch ungesendete achte Staffel. Ihn ihnen entwickeln sich Handlungsstränge und -motive, die einigen Befunden Mutzls widersprechen, wie etwa demjenigen, dass die Schwestern nicht daran denken würden, ihre Hexenkräfte aufzugeben, sondern sie vielmehr "unter keinen Umständen verlieren" wollten. Auch wird die von der Autorin stark betonte matrilineare Generationenfolge des Hexengeschlechts mit der Geburt der beiden Söhne Pipers, der ältesten der zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Halliwell-Schwestern, durchbrochen.

Dass Interpretationen einer unabgeschlossenen Serie durch noch nicht gesendete Episoden widersprochen wird, ist nicht zu vermeiden. Allerdings erfolgt die Geburt von Pipers erstem Sohn Wyatt in der Episode "The Day the Magic Died", die in den USA erstmals am 16.2.03 (in Deutschland unter dem Titel "Ein magisches Geschenk" am 23.6.04) ausgestrahlt wurde, also durchaus noch hätte berücksichtigt werden können. Zumal die in Deutschland am 16.6.04, also nur eine Woche zuvor gesendete Episode "Happy Birthday, Cole!" (in den USA am 19.1.2003 unter dem Titel "Centennial Charmed") von Mutzl noch erwähnt wird.

Unabhängig davon überzeugen auch andere Befunde nicht. Dass normale Menschen nichts von den magischen Kräften der Hexen erfahren dürfen, drückt Mutzl zufolge den "jahrelangen Zwang bzw. die Notwendigkeit [aus], weibliche Fähigkeiten und Stärken verbergen zu müssen, weil sie nicht akzeptiert und nicht gutgeheißen werden". Dabei übersieht sie, dass der Serien-Logik zufolge den Normalsterblichen alle Magie verborgen bleiben muss, gleichgültig, ob sie von Männern oder Frauen ausgeübt wird. Problematisch ist auch Mutzls allzu unkritische Haltung zum "Wicca-Kult" um Starhawk, den sie zu einem der "vielen Zweige der Frauenbewegung" adelt.

In den Abschnitten, die sich den Fans widmen, wird ihr Bemühen überdeutlich, ihnen keinesfalls auf den Schlips zu treten. So kommentiert Mutzl etwa das Statement einer Serien-Anhängerin "I believe one day I may develope some powers [magische Kräfte] of my own!!!!!!!!" mit der Bemerkung, dass sich "manche Fans vielleicht zu weit auf die Zauberwelt einlassen". Trotz dieser schon relativierenden Formulierung fügt die Autorin noch an, dass "'zu weit' ein sehr dehnbarer Begriff" sei. Das Bekenntnis eines anderen Fans "I love Holly Marie Combs [die Darstellerin der Figur Piper] sooooo much and she is my inspiration. Also I think all of the actors are very talented and the writers do a very good job of capturing each character" wird gar als Beispiel für den "äußerst medienkritische[en]", "fachkundig[en]" und überhaupt "differenzierten Blick" der Fans auf die Serie angeführt. Ein kaum überzeugendes Beispiel.

Doch wie kritisch auch immer die fachliche Beurteilung von Mutzls Untersuchung ausfallen mag: Bei den Serien-Fans ist ihr Unterfangen sehr gut angekommen. Alleine innerhalb der ersten drei Monate nach der Internet-Veröffentlichung ihrer Untersuchungs-Ergebnisse gingen über 80.000 Fan-Anfragen bei ihr ein.


Titelbild

Johanna Mutzl: "Die Macht von dreien ...". Medienhexen und moderne Fangemeinschaften. Bedeutungskonstruktionen im Internet.
Transcript Verlag, Bielefeld 2005.
188 Seiten, 25,80 EUR.
ISBN-10: 3899423747

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