Zwischen Aufklärung und Vormärz

Eine Monografie über die Schriftstellerin Friederike Helene Unger (1751-1831)

Von Mechthilde VahsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mechthilde Vahsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Autorinnen als Forschungsgegenstand - dazu erschienen bisher zahlreiche Untersuchungen. Trotzdem gibt es noch viele Forschungslücken, vor allem Monografien zu einzelnen Autorinnen aus den letzten drei Jahrhunderten stehen noch aus. Daher ist es immer wieder begrüßenswert, wenn eine solche Arbeit erscheint und das Ergebnis jahrelanger Archiv- und Basisforschung präsentiert. Birte Gieslers Dissertation "Literatursprünge. Das erzählerische Werk von Friederike Helene Unger" gehört zu diesen wichtigen, weil grundlegenden Studien. Giesler beschäftigt sich mit einer wichtigen Autorin aus der Zeit zwischen Aufklärung und Vormärz, die in Berlin lebte und mit ihren Werken große Publikumserfolge erzielte: Friederike Helene Unger. Sie arbeitete im Verlag Unger mit, den sie zeitweise leitete, und hatte ihr Leben lang mit Literatur, Literaturschaffenden und dem Literaturbetrieb zu tun.

In ihren literarischen Texten, u. a. Romane und Erzählungen, thematisiert Unger mit leichter Ironie den Kontext zwischen Geschlechtszuschreibungen und Literatur, bricht damit die zeitgenössischen Rollenmodelle auf und greift zudem aktuelle politische Diskussionen auf. Ebenso wie bei den Werken ihrer Zeitgenossin Sophie von La Roche zeugen auch Ungers Werke von einer intensiven Auseinandersetzung mit nicht nur belletristischer Literatur. Giesler analysiert diese Intertextualität sehr sorgfältig und stellt die Bezüge her. Anders jedoch als bei La Roche, die das Medium Buch als Teil ihres Bildungskonzepts ansah, reflektiert Unger den zeitgenössischen Literatur- und Kunstdiskurs, bezieht ästhetische Debatten mit ein.

Giesler weist nach, dass Unger als erzählerische Vorlage Goethes allseits bekannten Bildungsroman "Wilhelm Meister" nutzt, dessen Erzählmuster und Grundstrukturen sie aufgreift und umschreibt. Sie literarisiert damit die weibliche Perspektive zu den Bildungsroman-Themen Autonomie, Subjekt und Identität, was andere Autorinnen der Zeit vor dem Hintergrund der Französischen Revolution ebenfalls versuchten, z. B. Therese Huber oder Sophie Mereau.

Giesler beschränkt sich in ihrer Analyse auf das erzählerische Werk von Unger: Julchen Grünthal, Prinz Bimbam, Louis und Louise und Rosalie und Nettchen. Andere Texte werden herangezogen, ein ausführlicher bibliografischer Anhang zur Autorin und eine der Forschungsarbeit entsprechende Literaturliste runden die hervorragende, anschauliche und methodisch präzise Untersuchung ab. Ein zentraler Beitrag, der wichtige Ergebnisse vorlegt und hoffentlich zur Neuentdeckung dieser Autorin führt.

Titelbild

Birte Giesler: Literatursprünge. Das erzählerische Werk von Friederike Helene Unger.
Wallstein Verlag, Göttingen 2003.
352 Seiten, 28,00 EUR.
ISBN-10: 3892446520

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