Männer und Frauen

Carl Hiaasens unterhaltsamer Miami-Krimi

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein grandioser Auftakt, kein Zweifel: Carl Hiaasen beginnt mit dem Mord selbst, dem versuchten Mord wenigstens, und er beginnt damit, dass das Opfer, Joey, denkt: "ich bin mit einem Arschloch verheiratet", während sie geradewegs von einem Luxusliner in die See stürzt, auf dass sie von dort nimmermehr wiederkehre. Chaz, so der Übeltäter und unwerte Gatte, hat sie ganz einfach an den Knöcheln gepackt und über Bord geworfen, nachdem er sie erst abgefüllt hatte. Denn Joey ist eine hervorragende und ausdauernde Schwimmerin, aber mit ein paar Gläsern Wein im Blut und nur ganzganz wenig Land in erreichbarer Nähe ist auch sie dem Tode geweiht. Sollte sie wenigstens.

Ist sie dann aber nicht. Denn Ausdauer zum einen und zur Panik neigende Schmuggler zum anderen, die ihre gute Jamaika-Auslese aus Furcht vor der Küstenwache ins Meer kippen, lassen Joeys Rettung zu. Sie klammert sich an ihre ungewöhnliche Rettungsboje und wird so an den Strand einer einsamen Insel gespült, auf der nur ein einsamer, aber sehr hilfsbereiter Mann lebt: Mick.

Und damit sind beinahe alle zusammen, die für eine schöne Krimihandlung gebraucht werden. Es braucht jetzt nur noch ein Motiv, dann sollte eigentlich alles klar sein. Beim Motiv aber hapert's: Geldgier scheint es nicht zu sein, was Chaz zu seiner Tat getrieben hat. Denn Joey ist zwar reich, hat aber alles einer Stiftung vererbt. Chaz hat also nichts von ihrem Tod, wie dann auch der ermittelnde Detective, Karl Rolvaag, schnell herausfindet. Trotzdem ist er - klar, ein alter Haudegen - sich sicher, dass Chaz wenigstens lügt, wenn nicht gar seine Frau höchstselbst ins ferne Blau verfrachtet hat. Aber beweisen kann er es nicht. Da das aber sein letzter Fall sein soll, bevor er sich aus Miami zurückzieht, beißt er sich fest.

Auf diese Weise wird Chaz von zwei Seiten in die Zange genommen: Denn seine Quasi-Ex-Gattin rückt ihm gewaltig auf die Pelle, um sich an ihm zu rächen, und Rolvaag kann eine unangenehme Hartnäckigkeit entwickeln, wenn er sich einen Verdächtigen ausgesucht hat.

Und damit rollt Hiaasens Krimi los. Nach und nach wird klar, dass Chaz ein unbekanntes Eigenleben hat - nicht seine Geliebten, die sind nur allzu bekannt: Nein, der untalentierte Biologe, der sich seinen Doktorhut mehr erschummelt als zusammenstudiert hat, der nichts mehr hasst als die Natur und nichts mehr liebt als sich, seine Potenz, seinen Titel und das Geld, hat sich einem skrupellosen Wirtschaftsboss an den Hals geworfen, der ihn mit Bestechungsgeldern überhäuft und ihn dafür Wasserproben der Everglades fälschen lässt. Die nächste Umweltkatastrophe naht. Ab hier wird's dann ein bisschen gewöhnlich. So amüsant der Auftakt und das Ablenkungsmanöver in Sachen Motiv am Anfang sind, so belanglos ist der Wirtschafts- und Ökokrimi in Sachen Evergladesniedergang im weiteren Verlauf. Als ob es reichen würde, einen korrupten Biologen zu installieren, um ein Ökosystem zum Kippen zu bringen, als ob ein offensichtlich erfolgreicher Unternehmer sich mit einem offensichtlich halbgaren Jüngling wie Chaz einlassen würde: Dem liest man doch schon von der Nase ab, dass er beim ersten Anpusten umkippt und alles und jeden ausliefert, mit dem er zusammengearbeitet hat. Und als ob sich jemand wie Red Hammernut - so der Name des Wirtschaftsbosses - dazu hergeben würde, seinem Handlanger einen Hummer zu kaufen, damit er damit unverfroren in der Gegend herumkutschieren kann (Sie erinnern sich, die Kollegen von "CSI Miami" fahren mit solch einem Monstrum durch die Gegend).

Wenig wahrscheinlich das Ganze also und wenig überraschend zudem die Handlung und ihr Fortgang. Dass es am Ende einige Leichen, einen merkwürdig sympathischen Schläger und einen verschwindenden Chaz gibt, versöhnt ein wenig. Hiaasen schafft es zu amüsieren, und das ist ein großes Gut. Dabei probiert er sogar ein bisschen was aus. Aber wenn er experimentiert, dann immer mit gewissem Ausgang (was in der Unterhaltungsliteratur kein Widerspruch ist). Ein Knalleffekt beim Auftakt, ein wenig Irritation beim Motiv und ein lockerer Erzählton - vielleicht lassen sich die entflohenen Pythons Rolvaags noch hinzuzählen (sie sind mir wenigstens sympathisch) oder die Neigung von Hammernuts Schläger Tool (was für ein Name!) für eine alte Dame, die im Altersheim vor sich hinstirbt. Aber auch solche Hauptfiguren ist man gewohnt, ebenso wie die wenig überraschenden Handlungsverläufe: wer mit wem zusammenkommt etwa (natürlich Mick und Joey) oder dass die Bösen bestraft werden und die Guten nach Hause gehen. Leserin und Leser haben trotzdem ihren Spaß. Hiassen gibt genug Futter, damit die Lektüre gefällt. Aber im Ganzen ist "Der Reinfall" schließlich doch zu sehr am Reißbrett entworfen und versucht sich zu sehr an der lockeren Schreibe, um ein ganz großer Krimi zu sein. Aber wer wollte die schon dauernd lesen? Hören kann man das Ganze im Übrigen auch schon. Jan-Josef Liefers liest vor, und das kann man sich nochmal so amüsant vorstellen.


Titelbild

Carl Hiaasen: Der Reinfall. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Marie-Luise Bezzenberger.
Manhattan Verlag, München 2006.
475 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-10: 3442546133

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