"Ein unendliche Sehnsucht erregendes Fragment"

Thomas Mann liest "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull"

Von Torsten MergenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Mergen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Fragment - mit diesem Begriff hat Thomas Mann seinen in Ich-Form verfassten, die schicksalhaften Fügungen und Wandlungen im Leben Felix Krulls behandelnden Roman benannt; im April 1955, als er schon mehrere Fassungen und umfangreiche Manuskripterweiterungen vorgelegt hatte.

Fragment - mit diesem Begriff kann man auch die vier CDs des Hörverlages belegen, versuchen sie doch, den begeisterten und begabten Vorleser Thomas Mann anhand von Auszügen aus verschiedenen Lesungen seiner fiktiven Biografie vorzustellen. Und dies gelingt bei einer Gesamtlaufzeit von 250 Minuten fulminant: Während die erste CD nach einer kurzen Einführung Manns in Inhalt und Intention seines Romans einen Auszug aus dem fünften Kapitel des Zweiten Buchs von "Felix Krull" präsentiert, bietet die zweite CD Auszüge aus dem siebten und achten Kapitel des Zweiten Buches. CD 3 und 4 enthalten Ausschnitte des Dritten Buches.

Das Besondere der von Thomas Sprecher und Franz-Maria Sonner herausgegebenen CD liegt einerseits in der geschickten Kompilation: Man hat, auch wenn es nur Fragmente sind, die gelesen werden, den Höreindruck, dass die ironische Doppelbödigkeit im Handeln des Felix Krull eine Erwiderung in der virtuosen Lesekunst Manns findet. Auch nach 200 Minuten Mono - denn Mann liest in seinem atmosphärisch dichten, die norddeutsche Herkunft nicht kaschierenden Tonfall ohne jede Hilfe oder chorale Untermauerung - kommt keine monotone Stimmung auf. Man lauscht gebannt und fasziniert, in welche schlimmen Situationen sich der Tausendsassa Krull hineinbegibt und warum dem Ganzen das Komische dennoch nicht abgeht.

Andererseits zeigt sich, dass die Lesungen Manns aus den Jahren 1953 bis 1955, also kurz vor seinem 80. Geburtstag, eine wichtige audio-historische Quelle zum Autor darstellen. Denn Mann wirkt durchweg authentisch in seiner Attitüde des nimmermüden Lesers, der mit altersloser Leichtigkeit eines seiner sehr geglückten Werke präsentiert - als Literatur für Leser, die im Akt des Lesens respektive Hörens Freude an und mit dem Werk "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" finden können. Somit stellt die erstmals 1954 als Kassette erschienene Hörfassung eine eigene Art von Bekenntnis dar, ein Bekenntnis Manns zum unverkrampften Leben, das der Ich-Erzähler Krull am Ende des Dritten Buches auf einen ironischen Nenner bringt: "An jener Auffassung hielt sie hartnäckig fest, wenn ich es auch ein und das andere Mal durch meine Beredsamkeit zu Anzeichen einer gewissen Betroffenheit und schwankenden Gewonnenheit bei ihr brachte, einem stumm prüfenden Seitenblick, den sie flüchtig auf mich richtete und der verriet, dass mein schöner Eifer, den Fürsprech von Lust und Liebe zu machen, nicht ganz seinen Eindruck auf sie verfehlt hatte."


Titelbild

Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. 4 CDs.
Herausgegeben von Thomas Sprecher und Franz-Maria Sonner.
Der Hörverlag, München 2003.
ca. 250 Minuten, 27,95 EUR.
ISBN-10: 3899402634

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