Filmische Gaunerkomödie

Sascha Reh produziert „Großes Kino“ auf der Insel Sylt

Von Rainer RönschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rainer Rönsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Carsten Wuppke ist eine Null. Eine Hauptrolle kann er nur spielen, weil ein glänzender Regisseur am Werk ist. So würde man urteilen, wenn es um einen Film ginge. Es geht aber um ein Buch, in dem es um Filme geht. Und um Wuppke, der mal Sozialarbeiter in Berlin-Neukölln war. Froh ist man, nie dort gewohnt zu haben. Denn da hatte man nicht den Bock zum Gärtner gemacht, sondern eine absonderliche Kreuzung aus Gimpel und Wiesel, die sich Carsten Wuppke nannte.

Alles klar? Nein. Dann Schnitt und zurück auf Anfang, auch wenn der Erzähler behauptet, Geschichten fingen nicht an, sondern ereigneten sich einfach. Dieser Erzähler ist das Beste am Buch. Wenn er souverän tänzelnd durch die Ereignisse führt, immer Zitate aus Filmen zur Hand, dann entsteht Lesefreude. So lange, bis sich die Geschichte mit immer mehr Leichen regelrecht totläuft.

Wuppke, zum Handlanger eines „arabischen Chinesen“ herabgesunken, soll dessen Geschäfte auf der schönen Insel Sylt besorgen und dabei den dort residierenden illoyalen Untergebenen Hadi ausforschen. Sein Boss Ali al-Safa ist Araber, sieht auch so aus und kam wohl durch seine Tätigkeit im Import-Export zu seinem Spitznamen „Der Chinese“. Niemand wagt es, ihn so zu nennen, denn Ali ist ein absolut mörderischer Typ aus der untersten Schublade einer Casting-Agentur für B-Filme. Seine Jungs und die des ihn betrügenden Hadi stammen auch von dort. Der Erzähler spürt diesen Mangel und stellt zwei Schlagetots als „handlungsrelevante Menschen“ vor, mit behinderter Tochter beziehungsweise übergewichtiger Mutter.

So viel Mühe gibt er sich mit dem übrigen Personal nicht. Würde auch nicht lohnen, weil etliche ihre Sprechrollen rasch aufgeben und für immer schweigen müssen. Und weil andere sich typgerecht verhalten. Der schmierig-großkotzige Geschäftsmann und angebliche Naturschützer Jorgensen, der Bürgermeister werden will, um Sylts Schätze ungestört ausbeuten zu können. Seine 15-jährige Tochter, die einem verkrachten Filmschauspieler nachläuft. Jorgensens Konkurrentin im Wahlkampf, die sich intrigant eines in sie verliebten blassen Angestellten bedient. Und viele, viele mehr.

Der „Chinese“, der Grund und Boden auf Sylt erwerben wollte, lässt sich auf einen Deal zur gewinnträchtigen Sandaufspülung umlenken. Und Wuppke? Hat mehr Glück als Verstand, im gefühlten Verhältnis 99 zu 1. Wird um ein Haar tiefgefroren, nutzt aber unverhofft auftauchende Chancen couragiert, indem er die Leute mit hochtrabendem Gerede besoffen quatscht. So überlebt er knapp, aber verdient alle Abenteuer in Sylt. Vorläufig. Falls Jorgensen nicht Bürgermeister wird und sein Deal mit dem „Chinesen“ platzt, könnte alles wieder von vorn losgehen. Fortsetzung folgt?

Titelbild

Sascha Reh: Großes Kino.
Schöffling Verlag, Frankfurt a. M. 2020.
320 Seiten , 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783895610899

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