Eine Runde Stimmonade für alle

„Der Spurenfinder“ von Mark-Uwe Kling und seinen Töchtern ist eine abenteuerliche Fantasy-Krimi-Komödie für Groß und Klein

Von Frank RiedelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Riedel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seine Vielseitigkeit und seinen Sprachwitz hat Mark-Uwe Kling, der Liedermacher, Poetry-Slammer, Qualityland-Autor sowie Vater der Känguru-Chroniken beziehungsweise -Comics längst unter Beweis gestellt. Apropos Vater: Den Roman Der Spurenfinder hat er zusammen mit seinen Zwillingstöchtern, die unter Pseudonym als Koautorinnen fungieren, geschrieben.

In einer Zeit, in der Eltern oft große Probleme haben, die eigenen Kinder für klassische Bildungsinhalte zu begeistern, und das Lesen (vermeintlich) immer seltener im Zusammenhang mit Büchern und Literatur praktiziert wird, hat also ein Vater viele Ferientage, Wochenenden und andere freie Zeiten mit seinen 12-jährigen Töchtern verbracht, an einer Geschichte herumgesponnen und schließlich die gemeinsamen Fantasien zu Papier gebracht. Für die Autor*innen eine intensive, sicher auch anstrengende, aber vor allem nachhaltig bindende Erfahrung, also das, was man Neudeutsch Quality Time nennt.

Dass die Initiative für den Roman von den Töchtern kam, die wie ihre Eltern Schriftstellerinnen werden wollen und ein Schulpraktikum beim Vater vorschlugen, weiß die treue Leser*innenschaft spätestens seit einer Sonderausgabe von Denis Schecks Fernsehformat lesenswert (SWR, 28.01.2024). Dass ihre Lese-Vorlieben bei der Genre-Wahl auch eine wichtige Rolle gespielt haben, überrascht wenig. Denn Fantasy ist in diesem Alter einfach konkurrenzlos. Außerdem war bei den Kling-Schwestern gerade Sherlock Holmes angesagt und der humorvolle Umgang, selbst mit Mord, im Werdegang des Vaters omnipräsent. So weit, so gut.

Mit erlesbarem Spaß und ohne Rücksicht auf Gesetzmäßigkeiten bestehender Wirklichkeiten erschufen die drei gemeinsam eine magische Welt, die aber in sich selbst stimmig und durchgehend plausibel umgesetzt werden musste. Sie hangeln sich beim Schreiben auf den ersten Blick entlang der herkömmlichen Genre-Gepflogenheiten, wie wiedererkennbare Grundmuster und -Szenarien, machen dies aber mit eigener unverkennbarer Note. Welchen Fährten gilt es dabei zu folgen? Und mit welchem Ergebnis?

Der Schauplatz des Geschehens sind die geheimnisvollen Verlorenen Provinzen, wo die Ewigen Berge, der Wilde Wald sowie der Schöne See liegen und der Spurenfinder Elos von Bergen sich nach lebensgefährlich aufregenden Abenteuern im „kuhdorfigsten Kuhdorf“ Friedhofen niederlässt, um Ada und Naru, seine beiden Kinder, durch seinen gefährlichen Beruf nicht weiterer Gefahr auszusetzen. Den Geschwistern ist dort allerdings mehr als langweilig und so suchen sie auf dem Jahrmarkt in der Nachbarstadt Rabenfurt, unter Aufsicht des Vaters nach Ablenkung. Sehr bald sind Schule und Dorfidyll vergessen, als Zwerge, Monster, mysteriöse Wandelwesen und nicht zuletzt ein plötzlicher Todesfall die Neugier der zankenden Geschwister und das berufliche Interesse des Spurenfinders auf sich ziehen. Die Drei begeben sich auf eine riskante Reise, um den Fall aufzuklären.

Die vielen Details, die aus der prosaischen Realität in eine bunte, märchenhafte Fantasiewelt entführen, nehmen kein Ende. Der wunderbare Jahrmarkt, auf dem unter anderen eine Windflüsterin, eine Feuerläuferin oder die stärkste Frau der Welt für Aufsehen und Unterhaltung sorgen, fesseln zunächst Adas und Narus Aufmerksamkeit. Die Wirkung der Stimmonade und die Bedeutung käuflicher Zungenzeichen sorgen für kindliches Vergnügen. Der Schdip, das Glotzoskop und der Schnüffeltrichter, allesamt Gerätschaften, die dem Spurenfinder helfen, bei seiner Arbeit Erfolge zu erzielen, sind weitere verblüffende Früchte einer übersteigerten Einbildungskraft. Unermüdlich wird mit Wörtern gespielt, die ungleichen Zwillinge zanken sich dauernd und auch ein störrischer Esel nebst (mindestens) einem Kackhaufen finden ihren Platz im Geschehen. Es erscheint einem so, als hätte jede Kleinigkeit irgendwann ihren Sinn. Vielleicht mit Ausnahme des Monsters, das sich im Laufe der Geschichte als eine Honigtörtchen mampfende alte Dame entpuppt. Das junge Alter der beiden Koautorinnen schadet der ausgeklügelten Geschichte also keinesfalls. Sie bringen ihre jugendliche Perspektive durch den frotzelnden Schul- und Geschwisteralltag ein.    

Der von allen verehrte, teils gefürchtete, von den Kindern veralberte, aber sehr geschätzte Spurenfinder-Vater bewahrt in diesem liebenswerten Chaos stets die Ruhe. Bevor er antwortet, „hmst“ er gerne erst einmal und reagiert auf neugierige Fragen oder unausgegorene Theorien am liebsten mit einem „Möglich!“. Er sucht eben nicht nur, sondern findet trotz spärlichster Spuren, dank seiner Erfahrungen, auch veritable Lösungen. Bernd Kissel gelang in den Illustrationen in gewohnter Manier das Geschriebene atmosphärisch zu untermauern und gleichzeitig auch seinen gutmütigen Charakter zeichnerisch umzusetzen.

Bei Fantasy denkt man an serielles Erzählen. Hierbei bieten sich die vergangenen, der Öffentlichkeit vorerst unbekannten Abenteuer des Spurenfinders, etwa „Das Rätsel des Obelisken von Tarnok“, „Der Traummörder von Altschwanenberg“, „Das Rätsel der verrückten Baronesse“ oder „Der verschwundene blaue Königstein“, für Folgeromane an. Ein Cliffhänger schürt allerdings die Hoffnung, dass es demnächst um einen viel persönlicheren Fall gehen könnte. Ist das Lesepublikum erst einmal von den Protagonist*innen und den Verlorenen Provinzen eingenommen, wird eine Fortsetzung zum Selbstläufer.

Titelbild

Marc-Uwe Kling / Johanna Kling / Luise Kling: Der Spurenfinder.
Ullstein Verlag, Berlin 2023.
336 Seiten , 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783550202681

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