Der politische Lebensweg eines Intellektuellen: Günther Rüther legt eine Studie über Kurt Tucholsky und die Weimarer Republik vor

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In dieser politischen Biografie wird das Leben von Kurt Tucholsky in der Weimarer Republik geschildert, zu deren Kritikern er von der ersten Stunde an zählte. Seine Kritik entzündete sich vor allem an der Haltung der SPD, dem fortlebenden Militarismus, der kaisertreuen Beamtenschaft und der Justiz. Den Richtern warf er vor, bei politischen Prozessen auf dem rechten Auge blind zu sein. Schon früh erkannte er die von nationalistisch-reaktionären Kräften ausgehende Gefahr für die noch nicht gefestigte, um ihr Selbstverständnis ringende junge Republik. Er forderte eine geistige Revolution, um eine rückwärtsgewandte zu verhindern. „Wir leben in keiner Republik“, schrieb er, sondern „in einem verhinderten Kaiserreich“.

Tucholsky wollte das Selbstbewusstsein der Bürger stärken, sie aufklären, aus Untertanen souveräne Staatsbürger formen. Er wollte die Weimarer Republik nicht zerstören, sondern sie aus dem Stahlkorsett des wilhelminischen Obrigkeitsstaates befreien. Als Mitte der 1920er Jahre mit der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten die Republik nach rechts rückte, schreckte er auch vor scharfen Attacken nicht zurück und forderte zum Klassenkampf auf. Seine Liebe zu Deutschland schlug in Hass um. Hass aus Liebe sei der schlimmste Hass, schrieb er.

Er sah die Republik in die Katastrophe schliddern und den Zweiten Weltkrieg nahen. Mit seinem Bestseller Deutschland, Deutschland über alles warnte er vor der archaischen Kraft der völkisch-nationalistischen Bünde und einem „weiter so“. Er fürchtete, dass die Feinde der Republik mehr und mehr die Oberhand gewinnen. Sie standen für ihn rechts, links hielt er sie für weniger bedeutsam. Sein „Deutschlandbuch“ löste einen Sturm der Entrüstung aus. Ist er in der radikalen Auseinandersetzung mit seiner Zeit selbst zum Untergangspropheten geworden?

Dieses Buch zeichnet den politischen Lebensweg eines der brillantesten Intellektuellen der Weimarer Republik nach, an deren 100. Geburtstag wir uns 2018/19 erinnern.

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Titelbild

Günther Rüther: Wir Negativen. Kurt Tucholsky und die Weimarer Republik.
Marix Verlag, Wiesbaden 2018.
330 Seiten, 26,00 EUR.
ISBN-13: 9783737411011

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