Fischfang auf Ibiza

Seine sechste Mission führt Martin Suters Held Johann Friedrich von Allmen ins Heckwasser eines millionenschweren Zuchtkarpfens

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kois kann sich nicht jeder leisten. Die ursprünglich von japanischen Adligen gehaltenen Edelkarpfen können richtig teuer sein. Das Drumherum – von den zur Haltung geeigneten Koi-Teichen bis zu den Maschinerien, die dafür zu sorgen haben, dass das Wasser, in dem die Tiere einigen Platz benötigen, die richtige Temperatur und Nährstoffzusammensetzung hat – tut ein Übriges. Außerdem brauchen Kois Gesellschaft, was heißt: Mit einem Fisch ist es nicht getan, man muss schon tiefer in die Tasche greifen, damit die Karpfen nicht depressiv werden und vor der Zeit – Kois werden bis zu 60 Jahren alt – ihr Maul für immer schließen. Das bedacht, kann man die Panik gut verstehen, in die der in seiner hochherrschaftlichen Finca auf Ibiza residierende Musikproduzent Steve Garrett gerät, als über Nacht sein Lieblings-Koi „Boy“ plötzlich verschwindet.

Nun ist die Suche nach Edelfischen nicht gerade das Alleinstellungsmerkmal von Johann Friedrich von Allmens Firma „Allmen International Inquiries“. Sonst hieße deren Leitspruch ja auch nicht hochtrabend „The Art of Tracing Art“, sondern „The Art of Tracing Fish“. Ganz im Gegenteil: Von Kois haben weder der schweizerische, immer etwas hochstaplerisch daherkommende, aber wohlerzogene und auf korrektes Auftreten achtende Kunstdetektiv Allmen noch dessen eher erdverbundener guatemaltekischer Partner Carlos, der das Dienernaturell in sich nie völlig zu unterdrücken vermag, auch nur die geringste Ahnung. Allein man braucht das Geld, das der mit Größen wie Bruce Springsteen, John Lennon oder Peter Gabriel reich gewordene Garrett im Überfluss zu haben scheint und für die Wiederbeschaffung seines einen Meter langen und über 20 Kilo schweren japanischen Zierfisches auch auszugeben bereit ist.

Allmen und der Koi ist bereits der sechste Roman des Schweizer Bestsellerautors Martin Suter um einen Helden, der inzwischen in der Gestalt von Heino Ferch auch den Fernsehbildschirm erobert hat. Johann Friedrich von Allmen stellt eine Mischung aus Sherlock Holmes und Felix Krull dar – gelegentlich versetzt mit einer Prise Don Quijote. Die Zeiten, in denen der einstige Millionenerbe finanziell aus dem Vollen schöpfen konnte, liegen leider schon lange hinter ihm. Trotzdem wahrt der inzwischen im gesetzten Alter angekommene Lebemann nach außen hin den Schein des wohlhabenden Dandys. Das funktioniert recht gut und deshalb finden sich immer wieder Vertreter der oberen Zehntausend, die Suters Held auf die Suche nach verschwundenen Kunstgegenständen – oder diesmal eben nach einem mehr als eine Million Dollar teuren, schneeweißen Koi mit einem kreisrunden roten Fleck auf dem Schädel – schicken.

Geradezu nervenaufreibend kommt das Ganze nicht daher. Trotzdem bleibt man als Leser tapfer bei der Stange, wenn Allmen seine Suche – die standesgemäß mit einem Flug im Privatflugzeug nach Ibiza beginnt – auf die Landsitze der Superreichen, zu deren Partys und an die Ränder zahlreicher Koi-Teiche führt. Nebenbei wird eine ganze Menge Exotisches gegessen – „Auf gedünstetem Artischockenboden war sanft gebratene Blutwurst mit feingeschnittenen Zwiebeln und gerösteten Pinienkernen angerichtet und mit einem Feigendashi mit Mandelöl, holzgelagertem Rotweinessig und Salz umgosssen.“ –, die Erotik kommt, weil Allmens Auftraggeber Garrett alt und kränklich, dessen Lebensgefährtin Akina hingegen jung und abenteuerlustig ist, nicht zu kurz und auch für ein paar landes-, witterungs- und fischkundliche Informationen findet sich Platz im Roman.

Daran, dass Allmen dem gekidnappten Koi am Ende auf die Spur kommt, hat auch Carlos wieder einmal einen nicht geringen und mit Schmerzen erkauften Anteil. Und damit es in einem Krimi nicht an der obligatorischen Leiche fehlt, macht Martin Suter auch noch einen kleinen Nebenschauplatz auf, indem er einen Freund Allmens, der diesem behilflich ist, in die besseren Inselkreise vorzudringen, plötzlich tot in seiner Villa liegen lässt.

Letzteres wäre freilich gar nicht notwendig gewesen. Denn wie bei allen bisherigen Allmen-Bänden liegt auch bei Allmen und der Koi der wahre Reiz des Romans in der sprachlich souverän gehandhabten Unterhaltung eines Lesers, der es sich gern gefallen lässt, wenn sich vor ihm für eine kleine Weile die Tore der Anwesen der besseren Gesellschaft öffnen und er die Nase in deren Küchen stecken, die Füße auf deren Marmorböden stemmen und die Augen auf deren überirdisch schöne Frauen richten kann. Nicht für lange, nur für die Zeit, die es braucht, um etwas mehr als zweihundert Seiten zu lesen und sich während dieser paar Stunden so wohl zu fühlen wie Johann Friedrich von Allmen auf Ibiza.

Titelbild

Martin Suter: Allmen und der Koi. Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2019.
215 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783257070750

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