Bücherschreiben ist nicht gleich Büchermachen
Andreas Thalmayr hat Anekdoten, Erläuterungen und Ratschläge rund ums Buch parat
Von Jörn Münkner
Besprochene Bücher / Literaturhinweise27 fiktive Briefe von Andreas Thalmayr an Manuel Zögler bilden den Kern des gesäßtaschentauglichen schmalen Bandes Schreiben für ewige Anfänger. Der Adressat, dessen Anliegen durch Thalmayrs Echo vernehmbar wird, sucht bei diesem Rat und kündigt die Zusendung eines Manuskriptes an. Versucht der konsternierte, ja missgelaunte Thalmayr zunächst den anonymen Korrespondenten abzuwimmeln, entspinnt sich bald ein flotter Monolog als Zwiegespräch. Denn dem ungebetenen Kontaktinitiator gelingt es, den Ehrgeiz des sich uneitel gebenden Empfängers zu wecken: Der sei kein erfahrener Schriftsteller, warum wende man sich ausgerechnet an ihn, höchstens durch ein paar Veröffentlichungen sei er hervorgetreten, überhaupt führe er eine obskure Existenz, lebe von seiner Schulmeister-Rente und sein Broterwerb habe nichts mit dem Literaturbetrieb zu tun. Nun gut, ein paar Fragen könne er wohl beantworten, zu viel darauf geben wolle er aber nicht. Natürlich ist das Maskerade, hinter Andreas Thalmayr steckt niemand anders als Hans Magnus Enzensberger, der seinem alter ego Zucker gibt.
Ein kurzer Lehrgang, wie der Untertitel ankündigt, ist das Buch nur bedingt, denn es wird weniger strukturiert instruiert als in epistolarer Gesprächigkeit über das Schriftstellerdasein und die Buchproduktionsbedingungen Auskunft erteilt. Thalmayr wird nicht müde, seinen Autorenglanz unter den Scheffel zu stellen, zugleich gibt er dem angehenden Kollegen brauchbare Tipps für den Hindernislauf durch das Betriebssystem der Literatur. Das Spektrum der Problemfelder reicht von der (im ersten Brief lebendig vorgeführten) Abneigung prominenter Literaten gegen Unterstützungsanfragen von allen Seiten über Vor- und Nachlassvorkehrungen bis zur taktischen Schlauheit, ohne die kein Berufsschreiber auf einen grünen Zweig komme. Thalmayr betont die Notwendigkeit einer guten Agentin, spricht über das Urheberrecht, geht auf lästige wie nötige Kritiker(miss)verständnisse ein, streift Überspanntheiten von Kollegen als Teil der Déformation professionnelle, berührt die Aussicht auf prekären Verdienst und anderes mehr. Wenn er sich abschließend selbst als „ratlosen Ratgeber“ bezeichnet, drückt sich darin die sympathische Haltung eines Mannes aus, dem trotz profunder Kenntnis des Metiers manches unerklärlich und widersprüchlich geblieben ist.
Will man aus der Fülle an Erläuterungen und Ratschlägen eine Aussage von besonderer Bedeutung auswählen, dann vielleicht die folgende, auch wenn sie allgemein bekannt ist:
Geld, Reputation, Qualität, Erfolg und Ruhm [sind] voneinander völlig unabhängige Variablen […]. Ein Werk der Literatur kann berühmt sein, obwohl es niemand gelesen hat. Es gibt Bestseller von höchster Qualität und Bücher, die als schwierig gelten, obwohl sie vollkommen wertlos sind […]. Die oder der Erfolglose wird sich vergeblich darüber beschweren, daß es auf allen Bühne der Künste so ungerecht zugeht.
Wer also Bücher schreiben und Schriftsteller werden will, kann nur auf sich selbst bauen, auch wenn Komplizen, Agenten, Verleger und wohlmeinende Kritiker vonnöten sind. Das gilt für junge wie für „müde, ewige Anfänger“. Den Briefen ist eine launige etymologische Miniatur für das Wort Schriftsteller vorangestellt, während drei kurze Supplemente den Anhang bilden. Das erste gibt einen Auszug aus Christoph Martin Wielands Beitrag Über das Urheberrecht(1791) wieder, das zweite einen Briefauszug von Mario Vargas Llosa an einen jungen Schriftsteller (1997), in dem der peruanische Literat betont, dass das Schriftstellerdasein eine Berufung sei: Man lebt, um zu schreiben. Im dritten Addendum kommt der unvergessene Danilo Kiš zu Wort, der einen Verhaltenskatalog für einen jungen Autor aufstellt (1984).
Wenn es Andreas Thalmayr, „dem freundlichsten Unbekannten der Gegenwartsliteratur“, auch in diesem Büchlein „um Worte, nichts als Worte“ geht, dann sind die munter, wohlmeinend und erfahrungsgesättigt. Aus berufenem Mund vor den Untiefen des Literaturbetriebs gewarnt und über buch- und autorexistenzspezifische Detail aufgeklärt zu werden, hat seinen Reiz und ist willkommen.
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