Buchreihen des Zweiten Weltkriegs

Ausstellung und Begleitkatalog informieren über „Bücher für die Front“

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vom 11.09. bis zum 15.11.2019 wurde in der Universitätsbibliothek Magdeburg die Ausstellung Bücher für die Front – Feldpostreihen des Zweiten Weltkriegs präsentiert. Die von Germanistik-Studierenden der Otto-von-Guericke-Universität konzipierte Ausstellung zeigt ausgewählte Buchreihen der Ute-und-Wolfram-Neumann-Stiftung, die während des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht wurden. Die einzigartige Sammlung umfasste im Juli etwa 1.780 verschiedene Buchreihen, die historisch vom Kaiserreich bis zur Gegenwart reichen. Für die Ausstellung wurden zunächst die Buchreihen ermittelt, die ganz oder teilweise in den Jahren 1933 bis 1945 publiziert worden sind. Das traf auf immerhin 274 Buchreihen zu, darunter einige Reihen, die bereits vor 1933 auf dem Buchmarkt etabliert waren oder auch noch nach Kriegsende weiter bestanden. Bei der schließlich vorgenommenen Eingrenzung auf die Kriegsjahre blieb die Zahl der Buchreihen immer noch deutlich dreistellig. Darunter finden sich allein 68 Feldpostausgaben, Feldpostreihen oder Reihen mit ähnlichem Zusatztitel, die mit einem speziellen Umschlag verlagsseitig für den Versand an die Front vorbereitet wurden.

Im Wehrhahn Verlag ist der umfangreiche Begleitkatalog der bemerkenswerten Ausstellung erschienen. Zunächst gibt der Herausgeber Thorsten Unger, Professor für Germanistische Kulturwissenschaft an der Universität Magdeburg, einen historischen Überblick über die Buchproduktion in den Jahren von 1933 bis 1945 mit speziellem Fokus auf die Buchreihen des Zweiten Weltkriegs. Im Anschluss an diese Einleitung beleuchten vier weitere Essays die Aspekte der Rahmenbedingungen für die Veröffentlichung von Buchreihen in der Zeit des Nationalsozialismus. So referieren Annekatrin Bartelmann und Sharline-Kathrin Dünow über die Vorschrift der Nazis zur Verwendung von Antiqua-Schriften in Zeitungen, Büchern und im offiziellen Schriftverkehr von staatlichen und Parteiinstitutionen beziehungsweise das Verbot von gotischen Schriften und seine Auswirkungen auf die Buchgestaltung. Diana Richter geht der Frage nach, inwieweit sich „Heldenliteratur“ in den untersuchten Feldpostreihen nachweisen lässt. Danach beleuchtet Kim Ludwig mit den tragbaren Feldbüchereien des Reclam Verlages eine besondere Vertriebsform für Buchreihen an den Kriegsfronten.

Im eigentlichen Katalogteil werden dann verschiedene Buchreihen näher vorgestellt und die Exponate erläutert – zunächst gibt es stichwortartige Informationen über den Titel der Reihe, die Erscheinungsjahre, den Verlag, den Erscheinungsort, den Herausgeber (soweit bekannt), die Zahl der insgesamt in der Reihe erschienenen Bände sowie die Signatur der Buchreihe in der Universitätsbibliothek Magdeburg. Weitere Angaben geben Auskunft über das Format der Bücher und ihre Ausstattung. Neben diesen Basishinweisen informiert eine Kurzcharakterisierung in wenigen Sätzen über die inhaltlichen Schwerpunkt der Reihe, ehe dann in der eigentlichen Vorstellung ausführlich auf das jeweilige Reihenkonzept eingegangen wird. In Einzelfällen werden dabei die Intentionen des Verlages oder Herausgebers näher betrachtet.

Die Texte wurden überwiegend von Studierenden der Magdeburger Germanistik-Studiengänge eigenständig erarbeitet und verfasst. Sie gliedern sich in sieben thematische Kapitel, in denen die Buchreihen unter anderem den publizierenden Verlagshäusern oder NS-Institutionen zugeordnet werden. So beteiligten sich renommierte Verlage wie Insel, Bertelsmann, Rütten & Loening oder J.G. Cotta an den Feldpostreihen. Vielfach wurden hier auf Buchreihen zurückgegriffen, die schon vor 1933 herausgegeben wurden. Aus diesen Verlagsreihen traf man eine Auswahl, die bei den Nationalsozialisten nicht auf Widerspruch stieß und die dann als Feldpostausgabe umgestaltet wurde. So fanden sich hier überproportional viele Erzählungen und Novellen (E.T.A. Hoffmann, Gottfried Keller, Theodor Storm oder Joseph von Eichendorff) des 19. Jahrhunderts wieder. Andere Feldpostreihen stellten sich eindeutig in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie, häufig mit Werken von zeitgenössischen Autoren, die in der NS-Kulturpolitik eine große Rolle spielten.

Die anderen Kapitel widmen sich den „Bild- und Kunstreihen für die Front“, den „geduldeten und verordneten Buchreihenproduktionen jüdischer Ausrichtung“ oder den „deutschsprachigen Buchreihenproduktionen in der Schweiz“. Den Abschluss bilden „Buchreihen der Alliierten für kriegsgefangene Deutsche“, mit denen zunächst eine ideologische Beeinflussung der Kriegsgefangenen versucht wurde und die nach Kriegsende der Re-Education der deutschen Bevölkerung dienen sollten. Ein Anhang mit der Auflistung ausgewählter Buchreihen und einer auf das gesamte studentische Projekt bezogenen Bibliografie komplettiert schließlich den Katalog, der wie die Ausstellung zeigt, wie in den Buchreihen des Zweiten Weltkriegs neben klassischen Texten (von Matthias Claudius bis Wilhelm Busch) auch „Blut-und-Bodenliteratur“ stand.

Titelbild

Thorsten Unger: Bücher für die Front. Feldpostreihen des Zweiten Weltkriegs. Ausstellungskatalog.
Wehrhahn Verlag, Hannover 2019.
312 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783865257314

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