Zum 100. Geburtstag von Peter Demetz: Hinweise auch aus dem Archiv von literaturkritik.de

Am 21. Oktober 1922 wurde der US-amerikanische Germanist Peter Demetz in Prag geboren. Seine jüdische Mutter starb nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch das nationalsozialistische Deutschland 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt. Nach der Machtergreifung der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei floh er 1949 in den Westen, arbeitete von 1950 bis 1952 als tschechischer Redakteur bei Radio Freies Europa in München und wanderte 1953 in die Vereinigten Staaten aus, wo er bis heute lebt – mit langjährigen internationalen Beziehungen. 1962 wurde er dort an der Yale University in New Haven (Connecticut) zum ordentlichen Professor für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft berufen.

In einem vom „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) kürzlich veröffentlichten Interview mit Kristian Teetz wurde Demetz als „Wandler zwischen mehreren Welten“ charakterisiert und nach seiner „Heimat“ befragt. Verglichen wurde er dabei auch mit Marcel Reich-Ranicki – bei der Frage:

Ihr Kollege Marcel Reich-Ranicki hat einmal von der deutschen Literatur als „portatives Vaterland“ – also von einer tragbaren Heimat – gesprochen. Können Sie diesen Gedanken verstehen?

Demetz (den Reich-Ranicki in Mein Leben in der Reihe der „Germanisten“ erwähnt, an deren Beiträgen für die F.A.Z. „mir besonders gelegen“ war) antwortete:

Ja, ich kann ihn nachvollziehen. Und es erinnert mich an eine Zeit, in der ich Reich-Ranicki als glücklichen Menschen sah. Es ist eine Anekdote, die ich nie vergesse: Ich habe einmal Marcel Reich-Ranicki zu einem Vortrag über deutsche Literatur nach Yale einladen können. Und das hat ihn unendlich glücklich gemacht. Ich habe ihn damals vom Flugplatz abgeholt und er hat nur gelacht, sich glücklich gezeigt und betont, wie wichtig es ist, an einer alten Universität über neue deutsche Literatur zu sprechen. Dieser war einer seiner glücklichen Momente.

Die „Heimat“ von Demetz war allerdings nicht nur die deutsche Literatur. Da hatte er, wie er in dem Interview hervorhob, auch hier „ein doppeltes Vaterland, denn nicht nur die deutsche, auch die tschechische Literatur hat mich sehr geprägt.“

Ein Grund dafür, seine erste Heimat Prag zu verlassen musste, war auch seine Verbundenheit mit Franz Kafka. In dem Interview erklärt er:

Ich war Student an der Prager Universität und edierte 1947 ein Buch in tschechischer Sprache, das hieß übersetzt „Franz Kafka und Prag. Erinnerungen, Erwägungen und Dokumente“. Dieses Buch war ein entscheidender Grund, warum ich Prag verlassen musste. […] Weil sich die Prager Intellektuellen damals in zwei Gruppen teilten: erstens in die Kommunisten und zweitens in die anderen. Und die anderen erwählten sich Kafka sozusagen als ihren Bannerträger. Die scharten sich um seinen Nachlass und blieben ihm treu. Während die Kommunisten ihn ignorierten.

Vor dem Beitrag zu einer Sammlung seiner Essays, die zu seinem 100. Geburtstag erschienen sind, wurden in literaturkritik.de folgende Artikel über Peter Demetz veröffentlicht:

Hitler im Kino, Stalin im Film.
Peter Demetz begleitet die Diktatoren des frühen 20. Jahrhunderts ins Kino
Von Walter Delabar
Ausgabe 08-2019

Die Züge gingen pünktlich.
Prag in den Jahren der deutschen Okkupation: Der Literaturwissenschaftler Peter Demetz legt seine Erinnerungen vor
Von Oliver Pfohlmann
Ausgabe 04-2008

Drehkreuz Mitteleuropa.
Peter Demetz, geboren 1922 in Prag, umfassend gebildet und weltoffenen – wie seine böhmischen Essays
Von Volker Strebel
Ausgabe 07-2007

Scharf umrissene Gefühle.
Peter Demetz versammelt tschechische Erzählungen des „Fin de siècle“
Von Volker Strebel
Ausgabe 10-2005

Kafka geht in die Luft.
Peter Demetz über die Flugbegeisterung von Kafka, Brod, d‘Annunzio und Puccini
Von Ernst Grabovszki
Ausgabe 01-2003

Thomas Anz