Eine Formulierkunst, die seinesgleichen sucht

Vermännlichte Feminina häufen sich. Was geht da ab?

Von Luise F. PuschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Luise F. Pusch

Eigentlich müsste es ja heißen: „Eine Formulierkunst, die ihresgleichen sucht“. Aber die korrekte feminine Form verschmähte der Autor zugunsten des Maskulinums. Hier der Satz in seinem Kontext – oder sollte ich vielleicht sagen „in ihrem Kontext“?

„Er besitzt eine Formulierkunst, die seinesgleichen sucht. Man muss diesen Mann lieben und ich würde ihn ohne zu zögern für zwei Nobelpreise vorschlagen: zum ersten für Literatur, zum zweiten, viel wichtiger, viel passender: für Frieden!“ Gefunden bei Amazon.

Das Engagement des Amazon-Rezensenten für Karlheinz Deschner ist herzerwärmend, seine eigene Formulierkunst allerdings gewöhnungsbedürftig.

Sätze, in denen uns statt des zu erwartenden Femininums ein Maskulinum überrascht, häufen sich. Hier zwei weitere Beispiele aus meiner Sammlung:

„Die Algarve punktet mit seinen vielen Stränden, malerischen Städten, dem vielfältigen Sport -und Freizeitprogramm sowie mit ganz viel Sonne.“ (Aus dem Newsletter meines FIRST Reisebüros). „Die erlangte Ritterschaft hat seinen Preis.” Hier gefunden.

Komisch, dass die Umkehrung NIEMALS vorkommt, also Ausdrücke wie „Der Olymp mit ihren Göttern“, „Vater Rhein mit ihren Burgen und Schlössern“, „Der Witz und ihre Beziehung zum Unbewussten“.

„Was geht hier ab?“ fragte schon vor drei Jahren Ursula Müller (früher Frauenbeauftrage von Hannover und Staatssekretärin in Schleswig-Holstein) in ihrer Glosse „Ein Vorschlag gegen die Vermännlichung der Sprache“, in der sie das Phänomen aufs Korn nimmt. Sie hält sich mit der Frage nicht lange auf und entwirft lieber eine Gegenstrategie: Eifrige Benutzung des Femininums auch an dafür grammatisch nicht vorgesehenen Stellen. Mir gefällt diese Strategie sehr!

Trotzdem will ich noch mal die Frage nach dem Warum aufwerfen: Was geht hier ab? Inzwischen fallen nämlich nicht nur Ursula Müller und mir diese vermännlichten Feminina auf. Gestern bekam ich eine Mail von C.C., die sich auch fragt, was da abgeht und etliche Beispiele schickte. Sie macht sich jeweils sogar die Mühe, die Urheber der vermännlichten Feminina auf ihre Fehler hinzuweisen.

Meine Antwort auf die Frage „Was geht hier ab?“ ist ganz einfach: Die Leute mögen keine Frauen. Frauen sollen im Hintergrund bleiben und am liebsten unsichtbar sein. In unserer deutschen Männersprache sorgt das generische Maskulinum für sofortiges Verschwinden sämtlicher Frauen, sowie nur ein einziger Mann auftaucht. Das generische Maskulinum macht die Frau unsichtbar, besser als jede Burka es vermöchte, denn es erledigt gleich ganze Scharen von Frauen auf einmal.

Dass die Leute die Frauen und das ihnen zugeordnete Genus Femininum nicht mögen, wurde uns vor kurzem wieder vorgedröhnt in den endlosen gehässigen Kommentaren zu der Entscheidung der Universitäten Leipzig und Potsdam, in ihren offiziellen Verlautbarungen ab sofort das generische Femininum zu benutzen. Für die, die nicht wissen, was das generische Femininum ist, hier ein paar Beispiele, in denen ich das übliche generische Maskulinum in ein generisches Femininum umgewandelt habe:

„Wer wird Millionärin“ (beliebte Quizsendung)

„Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie Ihre Ärztin oder Apothekerin.“

„Die Bundeskanzlerin bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jede Bundesministerin ihren Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministerinnen entscheidet die Bundesregierung. Die Bundeskanzlerin leitet deren Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und von der Bundespräsidentin genehmigten Geschäftsordnung“. (Artikel 65 Grundgesetz)

Wenn wir solche stärkenden Sätze lesen, entstehen vor unserem inneren Auge ganz ungewohnte, schöne Bilder von Frauen. Frauen, die wir in derartigen Zusammenhängen nie vermutet hätten – bis auf die Bundeskanzlerin, die uns nun schon eine Weile vertraut ist.

Manche Gegner der feministischen Sprachkritik und des generischen Femininums behaupten, wir regten uns über Nichtigkeiten auf, und überhaupt sei das Deutsche eher eine Frauen- als eine Männersprache, denn der gesamte Plural sei doch weiblich: aus „der Vater“ wird „DIE Väter“, pronominalisiert durch was? Durch „sie“! Woraufhin ich meist nur antworte, wenn „Väter“ weiblich ist, dann ist „Mutter“ männlich, denn es heißt schließlich „der Mutter“. „Hä?“ macht dann das Publikum. Ja doch, fahre ich unbeirrt fort: „der Mutter“, wie in „Gib der Mutter einen Kuss!“

Längliche linguistische Erörterungen, weshalb die Behauptung, der Plural (und die Anrede „Sie“) seien weiblich, Unsinn ist, erspare ich mir hier – ich werde sie bald nachliefern. Das häufige Vorkommen des vermännlichten Femininums wie in „Eine Formulierkunst, die seinesgleichen sucht“ widerlegt diese Behauptung sehr schön. Wäre die deutsche Sprache so durchgehend und überwiegend weiblich, wie es die Anhänger der These von der Weiblichkeit des Plurals behaupten, dann müsste es statt vermännlichter Feminina verweiblichte Maskulina geben (denn üblicherweise setzt sich das Übliche durch). Die gibt es aber nicht. Weder habe ich je einen Beleg dafür gefunden, noch wurde mir je einer zugeschickt.

Damit sich das ändert, liebe Frauen, sollten wir Ursula Müllers Vorschlag folgen und fröhlich Feminina überall dort in die Welt setzen, wo sie niemand vermuten würde. Das wird ein Spaß, der ihresgleichen sucht!

Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag gehört zu Luise F. Puschs Glossen „Laut & Luise“, die seit Februar 2012 in unregelmäßigen Abständen bei literaturkritik.de erscheinen.