Literatur des Traumas - Annette Baumgartl über Opferfiguren bei Ingeborg Bachmann und Anne Duden
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIn ihrer Dissertation geht Annette Baumgartl den Opferfiguren bei Ingeborg Bachmann und Anne Duden nach. Dabei konstruiert die Autorin einen Zusammenhang zwischen den Hauptwerken der beiden Schriftstellerinnen: Bei Dudens Erzählung "Das Judasschaf" handele es sich um eine Fortschreibung von Bachmanns "Todesarten"-Projekt. Eine zunächst überraschende These. Doch versteht Baumgartl ihre Begründung, Dudens Prosatext setze dort an, wo Bachmanns Roman "Malina" ende - nämlich bei der "Entgrenzung des Ich in den Text" - recht plausibel zu entwickeln.
Ähnliches gilt für die "Kernthese" ihrer Arbeit, die "ästhetische Bedeutung" der untersuchten Texte Dudens und Bachmanns bestehe darin, "eine 'Schuld' nachvollziehbar zu machen, für die es im kollektiven Gedächtnis keinen Ort gibt". Gemeint ist die Shoah, der sich die "Literatur des Traumas" der beiden Autorinnen "aus der Perspektive der Töchter" nähert. Baumgartls Untersuchung zielt nun auf die Frage, wie die Autorinnen "den Widerspruch zwischen Erzählwillen und Erzählversagen in ihren Texten lösen, welche Erzählstrategien sie finden, um mit dem Trauma umzugehen".
Baumgartls dritte relevante These fußt auf einer zumindest hinsichtlich von Bachmanns Figuren nicht unumstrittenen Lesart, die besagt, dass die Protagonistinnen der untersuchten Werke "ihre eigene Zerstörung mittragen und letztlich in sie einwilligen". Baumgartl vermutet als Grund hierfür, die Tochterfiguren versuchten so, die Schuld ihrer Väter auf sich zu nehmen, bestätigen aber entgegen ihrer Intention dadurch gerade deren destruktive Macht.
R.L.