Bunter Hund

Michael Ondaatje und Serge Bloch erzählen von einer besonderen Dobermann-Diva

Von Wieland SchwanebeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Wieland Schwanebeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im britischen Feuilleton wurde kürzlich die These aufgestellt, Katzenfilme seien Hundefilmen grundsätzlich überlegen, einfach weil des Menschen bester Freund mit der mysteriös-entrückten Aura und dem filigranen Wesen der Katze nicht mithalten könne, und weil sich seine sprichwörtlich gewordene, hündische Kumpeltreue notgedrungen in simpel gestrickten, zumeist hart an der Grenze zur völligen Belanglosigkeit segelnden Filmen niederschlage. Eine Ausdehnung dieser Vermutung auf die weiteren Künste ist nach meinem Kenntnisstand noch nicht unternommen worden, aber auf den ersten Blick scheinen sich tatsächlich deutlich mehr Katzen als Hunde in Klassikern der Weltliteratur zu tummeln, von der Cheshire-Cat bei Lewis Carroll bis hin zur schwarzen Katze, die als Vorbotin drohenden Ungemachs Edgar Allan Poes novellistisches Schaffen durchstreift.

Wie, um etwas für das miserable Image des Hundes zu tun und sich der These von seinem unkünstlerischen Naturell entgegenzustemmen, legt Michael Ondaatje, der unter anderem mit seinem vielfach ausgezeichneten und erfolgreich verfilmten Englischen Patienten (1992) für Furore gesorgt hat, mit Jasper braucht einen Job eine luftige kleine Fabel über einen Hund mit schauspielerischen Ambitionen vor, die einen würdigen Platz in der mittlerweile von Rotraut Susanne Berner betreuten Reihe der „Tollen Hefte“ bei der Büchergilde gefunden hat und mit wunderbaren Federzeichnungen von Serge Bloch illustriert worden ist.

Die üppig bebilderte, mit Seitenhieben auf schauspielerische Eitelkeit und ein paar skatologischen Pointen angereicherte Humoreske ist nur auf den ersten Blick eine Kindergeschichte. Besser aufgehoben ist die Erzählung bei leidgeprüften Besuchern von Schultheateraufführungen sowie bei Hundebesitzern, die – wie der Englischlehrer Mr. Cletus in Ondaatjes Geschichte – regelmäßig verzweifeln könnten angesichts der Rechnungen, die sich allmonatlich für Herzwurm-Medikamente und Hundefutter anhäufen. Der finanziell klammen Familie Cletus kommt angesichts Jaspers anspruchsvollem Gaumen (das Tier verzehrt am liebsten Hühnerwürstchen mit Spiegeleiern) das Angebot der Schultheatertruppe gerade recht, den Dobermann für die geplanten Aufführungen von Bernard Shaws Cäsar und Cleopatra auszuleihen, worin Cletus höchst widerstrebend einwilligt, findet er doch: „wenn der Hund eine richtige Karriere einschlagen sollte, müsste es etwas Seriöseres sein als die Schauspielerei.“ Solche Sätze lassen erahnen, dass es – wie in der klassischen Tierfabel, der Jasper braucht einen Job zumindest nominell zuzurechnen ist – keinesfalls ums Tier geht, und dass diese zum mehrfachen Lesen einladende Geschichte von Jaspers Aufstieg und Fall mit etwas Augenzwinkern eigentlich in eine Reihe mit den häufig tragikomischen Schauspielerschicksalen gehört, wie sie sich in der Weltliteratur zuhauf finden. Jaspers literarische Ahnen sind nicht Lassie und Snoopy, sondern abgetakelte Mimen wie Thienwiebel (in der von Arno Holz und Johannes Schlaf stammenden Novelle Papa Hamlet, 1889), Müller-Rosé (in Thomas Manns Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull, 1954), oder Simon Axler in Philip Roths morbidem Spätwerk Die Demütigung (2009).

Wie der Familienhund der Cletusʼ Bühnenluft schnuppert, die Kunst der Verbeugung lernt und schließlich nach dem letzten Vorhang den Hunde-Blues bekommt, wie er fast seiner Fresssucht zum Opfer fällt und schließlich doch noch von Mr. Cletus auf den Pfad der Tugend zurückgeführt wird, ist es wert, entdeckt zu werden.

Titelbild

Michael Ondaatje / Serge Bloch: Jasper braucht einen Job.
Die Tollen Hefte, Nr. 47. Herausgegeben von Rotraut Susanne Berner.
Übersetzt aus dem Englischen von Anna Leube.
Edition Büchergilde, Frankfurt a. M. 2017.
32 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783864060793

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