Die Liebe ist wie das Meer

Marianne Ach erzählt in „Der Atem deines Landes“ von Spiros und Irene

Von Klaus HübnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hübner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Schwere Stürme, die das Ägäische Meer aufpeitschen. Regenschauer, die die Erinnerung aufwühlen.

Ti na kanume? Was kann man machen? Wer hat schon ein Anrecht auf dauerhaft schönes Wetter? […] Das Meer tobt, wirft rücksichtslos alles an Land, was es auf Dauer nicht duldet.

Drei Jahre ist Irene jetzt schon tot, und die Welt, die Spiros, seine Gäste und das ganze Dorf gerade heftig bedrängt, diese Welt macht einfach weiter, ohne sie. Was war das für eine Frau? Was machte diese griechisch-deutsche Liebesbeziehung aus? Haben Irene und Spiros eine interkulturelle Musterehe geführt? War da nicht immer auch etwas, das fremd blieb, rätselhaft, aller Vertrautheit und Liebe zum Trotz?

Lakonisches und präzises Erzählen ist seit Jahren eine Art Markenzeichen der 1942 in Eslarn in der Oberpfalz geborenen Münchner Schriftstellerin Marianne Ach. Sich in einer Zeit oft unnötig schriller und schräger, gelegentlich auch absurder und ärgerlicher Identitätsdebatten ihrem achtsamen, sanften und unaufgeregten Erzählton anzuvertrauen, tut einfach gut. Das erneut ohne Gattungsbezeichnung auskommende jüngste Prosawerk kann man als eindringlichen Aufruf dazu verstehen, der leidenschaftlichen Liebe eine der Welt zugewandte, für die Fülle des Lebens dankbare und zutiefst menschliche Dimension zu verleihen. Irene und Spiros schaffen das durch sensibles Floaten zwischen liebevoller Zuwendung und fraglosem Lassen-Können. Hört sich ein bisschen langweilig an? Ist es aber nicht. Marianne Achs Hauptfiguren sind keine Heiligen, und ihr Fischer- und Touristendorf ist kein Arkadien.

„Du musst das Schöne in Worte fassen können, dann erst ist es schön“. Marianne Ach kann das. Unaufdringlich und geschickt schaltet sie hin und her zwischen Erzählgegenwart und Erinnerung, geschickt wechselt sie die Erzählperspektive zwischen Ich und Er. Ihre Story ist einfach: Früh schon hatte Spiros „Sehnsucht nach der Fremde“ verspürt. In Deutschland begegnet er Irene, die ein „Stadtmensch“ ist und doch nicht ohne Bäume leben kann. „Der Himmel will etwas von uns, sagte sie. Ein Satz, den ich bis heute nicht verstehe“. Irene lernt den „Atem deines Landes“ lieben. Sie ziehen nach Griechenland, verwurzeln sich im Dorf, bauen ein Gästehaus, heiraten und werden bald auch Eltern. „Katerina und Victor, das wussten wir, würden sich Schritt für Schritt die Welt erobern, und wir würden sie lediglich dabei begleiten“. Die Jahre fliegen dahin.

Es gab Tage, die uns fast den Atem raubten, so gelungen waren sie, so unanfechtbar, dass wir uns für unsterblich hielten. Dann wieder gab es Tage ohne Höhepunkte, die sich dunkel und gefährlich eng aneinanderreihten.

Die dunklen Tage nehmen zu, und was „dieses Andere, das ihr Eigene“ war, das Irene letztlich daran gehindert hat, auf Dauer glücklich zu sein, erfährt man erst ziemlich am Ende dieser anrührenden Geschichte. Was man dort auch erfährt: dass die Liebe weitergeht, immer weiter …

Titelbild

Marianne Ach: Der Atem deines Landes.
Lichtung Verlag, Viechtach 2021.
136 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783941306394

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