Viele Brancheninsider, wenig analytischer Zugriff von außen

Die Historische Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels versucht, den Buchmarkt in Deutschland zwischen 1990 und 2015 aufzuarbeiten

Von Günther FetzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Günther Fetzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der Fachzeitschrift Archiv für Geschichte des Buchwesens sind im neuesten Jahrgang (73/2018) fast alle Vorträge der Konferenz Der Buch- und Informationsmarkt in Deutschland 1990 bis 2015 abgedruckt, die die Historische Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels im April 2017 veranstaltet hatte. Das Thema der Digitalisierung zieht sich wie ein Leitfaden durch viele Beiträge. Besonders deutlich wird das bei den Ausführungen von Bernhard Niemela über die Revolution der Drucktechnik, von Michael Roesler-Graichen über die digitale Transformation in Schulbuchverlagen und Bildungsmedien, von Christian Berger über die Verrechtlichung der Digitalisierung, von Anke Beck über Print-on-Demand (leider recht kurz und mit zum Teil veralteten Angaben) und vor allem von Elmar Mittler über die Entstehung der Open-Access-Bewegung, den Streit um Open Access und die Kommerzialisierung des Open-Access-Publizierens.

Unter den 13 Beiträgen sind hervorzuheben: Heinrich Riethmüller beschreibt den Paradigmenwechsel im Sortimentsbuchhandel, ausgelöst durch zwei buchhandelsfremde Markteinsteiger, Amazon und Douglas/Thalia Anfang der 2000er Jahre. Klaus G. Saur analysiert die Entwicklung der Fach- und Wissenschaftsverlage mit vielen interessanten Details, einer Übersicht über die relevanten Verlage und mit einem Blick auf das internationale Geschäft – jedoch auch mit vielen Abschweifungen vom Thema, was zu Doppelungen im Band führt (Zahlen zu Produktion und Lizenzen, Open Access et cetera). Thomas Wilking liefert einen fundierten Überblick über die Entwicklungen am Publikumsmarkt mit Schwerpunkten wie die disruptive Entwicklung durch kostenlose Internetangebote oder die Erweiterung des Spektrums der Buchformate. Vergleichbar informativ, doch in langen Listen etwas zu detailreich beschreibt Thomas Bez den Zwischenbuchhandel auf der Suche nach seiner neuen Rolle.

Ärgerlich kurz und teilweise recht oberflächlich sind die Beiträge von Christoph Links über die Privatisierung der ostdeutschen Verlage, von Joerg Pfuhl über Self-Publishing sowie von Johannes Stricker über das Hörbuch mit dem sinnlos plakativen Titel In der Mitte der Gesellschaft angekommen (ohne jede empirische Fundierung). Der Artikel des Hauptgeschäftsführers des Börsenvereins, Alexander Skipis, liest sich wie ein Pflichtbeitrag. Wie denn „das Ethos des Buches hochzuhalten“ ist, erfährt man nicht.

Insgesamt ist eine Dokumentation entstanden, die einen guten Überblick über das Thema bietet, dem hohen Anspruch des Tagungstitels jedoch nicht gerecht wird. Dazu trägt nicht zuletzt bei, dass mit Heinrich Riethmüller, Klaus G. Saur, Anke Beck, Alexander Skipis, Thomas Bez, Christoph Links, Joerg Pfuhl und Johannes Stricker zu viele Brancheninsider zu Wort kommen. Statt dieser weitgehenden  Selbstdarstellung der Branche hätte man sich einen forschungsbezogenen Blick auf das Thema und mehr analytischen Zugriff auf die Branche von außen gewünscht.

Neben den genannten Aufsätzen und den zeitschriftenspezifischen Rubriken Berichte und Miszellen sowie Rezensionen enthält dieser Band des Archivs für Geschichte des Buchwesens den umfangreichen Beitrag Die Kalender-, Almanach-und Taschenbuchliteratur Estlands, Livlands und Kurlands (1700–1830). Analytische Bibliographie. Teil 1 von York-Gothart Mix, Felix Köther und Kristina Kandler.

Titelbild

Björn Biester / Carsten Wurm: Archiv für Geschichte des Buchwesens. Band 73.
De Gruyter, Berlin 2018.
320 Seiten, 149,95 EUR.
ISBN-13: 9783110579703

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