Ein Blick in die Gelehrtenrepublik

Peter Burke beschäftigt sich in „Giganten der Gelehrsamkeit“ mit der Geschichte des Universalgenies

Von Stefanie LeibetsederRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Leibetseder

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie das Vorwort verrät, ist dieses Buch aus der langjährigen Beschäftigung des Kultur- und Medientheoretikers Peter Burke mit Wissens- und Ideengeschichte hervorgegangen. Um seinen umfangreichen Stoff zu gliedern, nimmt er zunächst mehrere zeitliche und soziale Schnitte durch sein Thema vor. Dies tut er systematisch, indem er die Wurzel des Universalgelehrtentums in der Renaissance offenlegt und ihre einzelnen Verzweigungen anhand bekannter Persönlichkeiten des Barockzeitalters benennt, ehe die Bestrebungen zur Synthese des Wissens, namentlich das Verfassen von Enzyklopädien, und vor allem der Aufstieg der Natur- und Gesellschaftswissenschaften, in der Ära der Aufklärung dargelegt werden. 

Im Historismus und der Moderne bzw. Postmoderne kommt es sodann zu einer stärkeren Verbreitung des Wissens durch das Aufblühen der Publizistik, die Gründung von Museen und Forschungsinstitutionen sowie die Etablierung neuer Fächer, wie z. B. die Psychologie und Soziologie. Der darin angelegten Aufsplitterung des Wissens versucht man in der Gegenwart unter dem bekannten Stichwort „Interdisziplinarität“ wieder entgegenzuwirken. In weiteren Abschnitten beleuchtet Burke die persönlichen Charakteristika des Gelehrten, ihr soziales Umfeld und das heutige Verständnis des Universalgelehrten.

Im Vorwort bekundet Burke: „Das Buch will mehr sein als eine Galerie einzelner Porträts, so faszinierend die jeweils Dargestellten auch gewesen sein mögen.“ Daher schlägt er breite Schneisen durch die Geschichte wenn nicht aller, so doch vieler Disziplinen, und reiht seine Protagonisten und Protagonistinnen und ihre Talente wie Perlen an einer Schnur auf, ohne sie – dem Charakter als Überblicks- oder Sammelbiografie geschuldet – einzeln ausführlich vorzustellen. 

Dem anerkennenswerten Bemühen um eine möglichst breite und gleichgewichtete Auswahl von Männern sowie Frauen verschiedener Disziplinen folgend, nimmt er unter anderem auch die Amerikanerin Susan Sontag, eine verdienstvolle Essayistin und Publizistin, in seine Erzählung auf. Hierdurch wird der Horizont des Gewohnten, wonach es in erster Linie Männer sind, die Geschichte machen (Heinrich von Treitschke) bzw. (Universal)Geschichte schreiben, auf angenehme Weise gesprengt, obwohl selbstverständlich auch die bekannten Universalgenies, darunter sicher am prominentesten Gottfried Wilhelm Leibniz und Leonardo da Vinci, vorgestellt werden. Außerdem wird daran auch sichtbar, dass Burke den Rahmen des tradierten Bildes des Universalgelehrten verlässt, indem er darunter auch Personen subsummiert, die lediglich in einer oder zwei Fachdisziplinen beheimatet sind. Dies legt neben Sontag zum Beispiel die Erwähnung von Umberto Eco, dem bekannten italienischen Schriftsteller sowie Professor für Semiotik und Zeichentheorie, nah. 

Es wird also insgesamt auf 300 Seiten ein komprimierter erster Überblick über die Geschichte des Universalgelehrtentums mit der Erwähnung von insgesamt 500 Einzelpersonen von der Antike bis in die Gegenwart geboten, der über die weithin vertrauten Namen hinaus auch viele uns heute unbekannte Personen – darunter, wie erwähnt, auch Frauen – vorstellt und durch die notwendigerweise kursorische Art der Darstellung den Wunsch nach einer vertiefenden Untersuchung vieler bisher unbeachteter Biografien weckt.

Titelbild

Peter Burke: Giganten der Gelehrsamkeit. Die Geschichte der Universalgenies.
Aus dem Englischen von Mathias Wolf unter Mitarbeit von Ursula Wulfekamp.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2021.
320 Seiten, 29,00 EUR.
ISBN-13: 9783803137029

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