Nicht nur Macbeth ist ein Mordgeselle … auch Literatur-Professoren

Ashley Curtis hat mit „Hexeneinmaleins“ einen Shakespeare-Krimi vorgelegt

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Macbeth ist tot – enthauptet. Der Vorhang fällt im Swan Theatre der Royal Shakespeare Company. Beifallsstürme. Ein einziger Zuschauer liegt aber regungslos und zusammengesackt in seinem Sessel. Herbeigeeilte Rettungssanitäter können nichts mehr ausrichten. War es ein Herzinfarkt oder Fremdeinwirkung? Der Tote ist Professor Adrian Thompson, der, wie die meisten Zuschauer, Teilnehmer einer Konferenz über die Urheberschaft der Werke William Shakespeares ist. Hier sollten die Argumente und Gegenargumente der verfeindeten Stratfordianer und Oxfordianer aufeinanderprallen. Wer war der Verfasser der weltberühmten Theaterstücke – der einfache Handwerkersohn aus dem „Kuhdorf“ Stratford oder der Earl of Oxford, der den Namen „Shakespeare“ als Pseudonym verwendete?

Am nächsten Tag wollte Professor Thompson einen Vortrag halten. Einen Vortrag, der sicher wie eine Bombe eingeschlagen hätte. Schließlich hatte Thompson vorab durchblicken lassen, er könne den abschließenden Shakespeare-Beweis vorlegen, der die ganze Oxford-These wie ein Kartenhaus zusammenbrechen lässt. Doch nach dem bedauerlichen Theaterzwischenfall findet Georgina Mansard, Thompsons ehemalige Studentin, das Hotelzimmer des Professors als Schlachtfeld vor. Jemand hatte wohl nach Thompsons Manuskript gesucht und war fündig geworden. Es ist verschwunden. Das macht zunächst alle Oxford-Verfechter zu potentiellen Verdächtigen.

Kriminalkommissar Ian Stokes wird mit den Ermittlungen betreut. Ein Fall, der ihm gar nicht gefällt, denn die Sache wird bald durch die Decke gehen. Die Boulevardpresse titelt „Mord in ‚Macbeth‘“ und hat ihre Zelte bereits vor dem Polizeirevier aufgeschlagen. Professoren, die sich wegen kleiner akademischer Querelen gegenseitig umbringen? Und tatsächlich, der nächste Mordanschlag lässt nicht lange auf sich warten und wenig später treibt eine weitere Leiche in einem Fluss. Stratfordianer Nummer drei.

Stokes, dem diese ganze Urheberkontroverse ziemlich egal ist, glaubt jedoch, dass hinter der Mordserie nicht nur ein erbitterter Gelehrtenstreit steckt. Vielmehr ist er überzeugt, dass Geld die Antriebsfeder ist. Schließlich taucht auch noch das Gerücht über einen zweifelsfreien Beleg pro Oxford auf, der seinen Besitzer zum Multimillionär machen würde. Oder ist es Eifersucht, die seriöse Akademiker zu unglücklichen Teenagern macht?

Als die Ermittlungen ins Stocken geraten, bittet Stokes sogar seine Eltern um Hilfe. Carter und Elizabeth Stokes, beide pensionierte Universitätsprofessoren, unternehmen nun Erkundungen auf eigene Faust und entdecken dabei, dass nicht nur Thompsons Manuskript verschwunden ist, sondern aus einer privaten Bibliothek auch Witches’ Magick, ein ganz seltenes Buch über Symbolkunde, in dem der Professor wochenlang studiert hatte. War dieses Buch, das ungefähr zur Entstehungszeit des Macbeth erschien, die Quelle für Thompsons Beweis pro Shakespeare – oder ist es vielleicht sogar der Schlüssel zu dem mysteriösen Fall? Am Ende stellt sich heraus … es war ein perfekter Mord.

Mit Hexeneinmaleins hat Ashley Curtis, der in der Schweiz als Schriftsteller, Lektor und Übersetzer tätig ist, einen Shakespeare-Krimi vorgelegt, in dem es quasi um zwei Fälle geht. Wer ist der Professoren-Mörder und wer ist der „wahre“ Shakespeare? Und dann spukt da noch der historische Macbeth herum. Von den Hexen ganz zu schweigen.

Der Roman spielt in dem Städtchen Stratford-upon-Avon, dem Geburtsort von William Shakespeare, im Jahre 2006 – vierhundert Jahre nachdem Macbeth verfasst wurde. Der Leser erfährt auf den 448 Seiten viel über die literarischen Hintergründe der Auseinandersetzung der Shakespeare-Urheberschaft. Einen kurzen Überblick zu diesem Thema gibt außerdem der Shakespeare-Übersetzer Frank Günther in seinem Nachwort „Die Verfasserschaftsfrage oder In der Sache Oxford gegen Shakespeare“. Wer den enormen und verbissenen Aufwand der Experten um diese „eigentlich entlegene Frage“ in den letzten Jahrhunderten betrachtet, kommt zu dem Schluss: Ashley Curtis hat mit seiner „mörderischen“ Professorenriege kaum übertrieben.

Titelbild

Ashley Curtis: Hexeneinmaleins. Ein Shakespeare-Krimi.
Mit einem Nachwort von Frank Günther.
Übersetzt aus dem Englischen von Silvia Morawetz.
Kommode Verlag, Zürich 2019.
447 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783952462652

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