Anti-Establishment als Dystopie

Don DeLillos „Spieler“ liest sich reizvoll und diffus

Von Christian JägerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christian Jäger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Verlag Kiepenheuer & Witsch startet eine Reihe von Neuausgaben älterer DeLillo-Texte in einem einheitlichen Design und erwirbt dafür auch die Rechte älterer Werke inklusive ihrer Übersetzung, die bei anderen Verlagen, im Falle von Spieler bei Rowohlt, zuerst erschienen. Im Erscheinungsjahr 2017 hatte der Roman sein 40jähriges Publikationsjubiläum.

Der Text von Spieler gliedert sich in zwei Hauptteile, die in jeweils zehn nummerierte Kapitel unterteilt sind. Auffällig ist, dass dem ersten Teil ein kurzer Text mit dem Titel „Der Film“ vorgeschaltet ist und am Ende des zweiten Teils sich ebenfalls ein kurzer Text anschließt, der „Das Motel“ überschrieben ist.

Spieler erzählt von dem Paar Lyle, ein Börsianer, und Pammy, eine Public Relations-Fachfrau, die bei einem kafkaesken Unternehmen namens Grief Management Council arbeitet. Beide sind in einem Beziehungsstadium, wo sie wenig miteinander anzufangen wissen: man geht kaum noch aus, schaltet den Fernseher immer öfter an, und bald sitzen sie vor getrennten Fernsehern.

Lyle macht sich an eine Sekretärin namens Rosemary heran, die, wie er bald herausfindet, auch eine Bekanntschaft mit einem erschossenen Kollegen unterhielt. Pammy zerstreut sich mit einem Stepptanzkurs, plant Urlaub mit ihrem schwulen Kollegen Ethan und dessen Partner Jack. Lyle gerät in ein eigenartiges diffus terroristisches Umfeld: Führungsstrukturen sind so wenig klar wie die Ziele, schnell stellt sich auch der Verdacht ein, dass eine der prominenten Figuren der Verschwörung auf wechselnden Seiten arbeitet, mal mit dem Geheimdienst, mal mit den Terroristen. Auch Lyle liefert alsbald beiden Seiten Informationen und unterstützt die Untergrundtruppe finanziell. Mittlerweile ist Rosemary, die offensichtlich der Lockvogel der Gruppe ist, von anderen Frauen abgelöst worden, die Lyle erotisch korrumpieren. Pammy ist mit dem Pärchen in den Urlaub gefahren, wo sich aber bald auch Spannungen einstellen, da Ethans Partner  Jack offenbar ihr zugetan ist und vice versa. Jack kann sich aber sein Verhalten nicht verzeihen, übergießt sich mit Benzin und verbrennt sich selbst. Mittlerweile hat Lyle der Stadt den Rücken gekehrt und trifft in einem Provinzort wieder auf Rosemary, die wieder ein Verhältnis mit ihm eingeht, allerdings nun mit anderen Vorzeichen: nachdem sie sich entkleidet hat, hat sie sich nunmehr mit einem Umschnalldildo bewehrt.

Die Sprache ist knapp, wenig schildernd, bemüht, die Szene wie die Figuren im Diffusen zu belassen; stets bleibt etwas Unklares, was den Reiz wie das Unbefriedigende des Textes ausmacht. Die Spieler bewegen sich durch ein Schauspiel oder ein Drehbuch, dessen Textbild verschwommen ist, die Skizzen sind verwischt. Die Hoffnungen auf Ausstieg oder Gegenkultur erscheinen bei DeLillo zum Ende der 70er Jahre so berechtigt und sinnvoll wie am Ende von Orwells 1984. Der anfängliche Film-Abschnitt entwirft eine Guerillaattacke auf einen Golfklub, die sich aber eben nur als Film behaupten kann; der Motel-Abschnitt stimmt nochmals das traurige Lied von der großen außerehelichen Liebe an, die nun aber zu ihrem eigenen Klischee wird – ausweglos traurig, nicht mal Rettung in ästhetische Tristesse.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Don DeLillo: Spieler. Roman.
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Matthias Müller.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017.
256 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783462050691

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