Der Tag der Entscheidung

Was einer Feministin vor einer Abtreibung durch den Kopf geht

Von Elisabeth BökerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Elisabeth Böker

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Am Mittwoch soll es passieren. Oder besser gesagt: Darf es passieren. Bis dahin muss sich Hedda in Geduld üben. Die 33-jährige Norwegerin ist schwanger – ungeplant nach einem One-Night-Stand in Berlin. Für sie steht fest, dass sie das Kind nicht bekommen möchte. Sie hatte allerdings bis zum Arztbesuch keine Ahnung, dass eine Abtreibung in ihrem Heimatland nicht länger sofort möglich ist. Drei Tage Bedenkzeit sind gesetzlich vorgeschrieben. Aufgrund eines Wochenendes sind es bei Hedda deutlich mehr Tage.

Um die Gedanken und Ereignisse, die Hedda während der Zeit des Wartens durch den Kopf gehen, geht es in Lotta Elstads Debüt Mittwoch also. Die junge Frau und bekennende Feministin ist dabei die Erzählerin, sodass ihre Perspektive im Zentrum steht. Die Tage bis zu eben jenem Mittwoch ziehen sich für die Frau hin.

Selbstverständlich resümiert sie, wie es passiert ist und wie ihr Leben ausschaut. Hedda ist Journalistin von Beruf, privat steckt sie mitten in einer Lebenskrise, denn ihr langjähriger Freund hat sie verlassen. Daraufhin beschließt sie durch Europa zu reisen: Die Tour beginnt beinahe mit einem Flugzeugabsturz und endet mit dem folgereichen One-Night-Stand in Berlin. So nah lagen Tod und das Entstehen von neuem Leben beieinander. Milo heißt ihr Sexpartner, er lebt als Aussteiger in der Hauptstadt. Und weil ihn dort nichts bindet, sucht er Hedda in Oslo auf, was alles selbstverständlich nicht leichter macht.

Der Arzt, den Hedda konsultiert hat, ist für die junge Frau keine Hilfe. In ihrer Verzweiflung sucht sie auch Rat in einem Onlineforum mit dem Namen GoFeminin: „Bin in Woche 13 – wie werd ich den Kram wieder los?“, schreibt sie. Man kann sich denken, dass die über dreihundert Antworten die gesamte Bandbreite abdecken: von Weisheiten der Ägypter bis zu Meldungen wie „Kindsmörderin“ mit vier Ausrufezeichen. Hedda geht noch härtere Wege, schluckt eine ganze Packung Antibabypillen und nimmt andere für den Fötus schädliche Substanzen.

Die Thematik des Romans polarisiert. Einseitigkeit und undifferenzierter Umgang mit dem Thema könnte man der Autorin vorwerfen. Sollte man allerdings nicht, denn was sie vorlegt, ist ein Roman, kein Ratgeber. Zudem zeigt das Ende (das anders ausfällt, als man denkt), dass Heddas Entscheidung zumindest für die Protagonistin selbst nicht zufriedenstellend ausgeht.

Mittwoch also ist sehr direkt, schamlos und mit spitzer, feministischer Feder geschrieben. Es ist vor allem ein politischer Roman, der aufzeigt, was passieren kann, wenn Frauen in der Bedenkzeit zwischen Arztbesuch und erstmöglichen Abtreibungstermin allein gelassen werden.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Lotta Elstad: Mittwoch also. Roman.
Übersetzt aus dem Norwegischen von Karoline Hippe.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019.
304 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783462052039

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch